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Summary
# Einführung in die Finanzwissenschaft und ihre zentralen Fragen
Die Finanzwissenschaft ist ein Teilgebiet der Volkswirtschaftslehre, das sich mit der Rolle und den Aktivitäten des Staates in der Wirtschaft befasst. Dieser Bereich betrachtet, wie staatliche Interventionen das Wirtschaftsleben beeinflussen und welche ökonomischen Konsequenzen diese Interventionen nach sich ziehen. Der Kurs „Marktwirtschaft und Staat“ ist in diesem Feld angesiedelt und wird auch als „Public Economics“ bezeichnet [11](#page=11) [13](#page=13) [50](#page=50).
### 1.1 Abgrenzung zu anderen volkswirtschaftlichen Disziplinen
Die Finanzwissenschaft wird im Kontext der Volkswirtschaftslehre (VWL) eingeordnet, die sich im Gegensatz zur Betriebswirtschaftslehre (BWL) mit dem Funktionieren der Wirtschaft als Ganzes beschäftigt. Innerhalb der VWL grenzt sie sich wie folgt ab [11](#page=11) [12](#page=12):
* **Mikroökonomie:** Untersucht ökonomische Entscheidungen einzelner Haushalte und Unternehmen sowie die Koordinationsmechanismen von Märkten angesichts von Knappheit [12](#page=12).
* **Makroökonomie:** Analysiert die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen von Entscheidungen und Phänomene wie Arbeitslosigkeit und Konjunkturzyklen [12](#page=12).
* **Finanzwissenschaft (Public Economics):** Konzentriert sich spezifisch auf die Rolle und die finanziellen Aktivitäten des Staates [11](#page=11) [13](#page=13).
### 1.2 Die Rolle des Staates in der Wirtschaft
Der Staat übt durch verschiedene Instrumente einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft aus. Zu den wichtigsten Instrumenten gehören [13](#page=13):
* **Besteuerung:** Erhebung von Steuern, die in entwickelten Ländern einen signifikanten Anteil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen können (30-50%). Beispiele hierfür sind Einkommensteuer, Mehrwertsteuer und Erbschaftsteuer [13](#page=13).
* **Staatsausgaben:** Finanzierung von öffentlichen Gütern wie Infrastruktur und Sicherheit sowie des Sozialstaats durch Leistungen wie Renten-, Kranken-, Bildungs- und Familienförderung [13](#page=13).
* **Regulierung:** Festlegung von Regeln und Vorschriften, z. B. Mindestlöhne, Bankenregulierung, Emissionsstandards oder Kartellverbote [13](#page=13).
* **Makroökonomische Stabilisierung:** Einsatz von Fiskal- und Geldpolitik zur Steuerung von Konjunktur, Inflation und zur Absicherung von Finanzinstituten (z.B. Bailouts) [13](#page=13).
### 1.3 Zentrale Fragen der Finanzwissenschaft
Der Kurs und die Finanzwissenschaft im Allgemeinen werden von vier zentralen Fragen geleitet [14](#page=14) [28](#page=28):
#### 1.3.1 Wann sollte der Staat in die Wirtschaft eingreifen?
Diese Frage beschäftigt sich mit der Begründung staatlicher Interventionen. Grundsätzlich können perfekt funktionierende Märkte zu Pareto-effizienten Allokationen führen, bei denen es nicht möglich ist, eine Person besserzustellen, ohne eine andere schlechter zu stellen. Staatliche Interventionen sind jedoch gerechtfertigt, wenn Märkte versagen oder wenn gesellschaftliche Ziele wie Gerechtigkeit verfolgt werden [29](#page=29) [30](#page=30) [31](#page=31) [34](#page=34).
Die Hauptgründe für staatliche Interventionen sind:
* **Marktversagen:** Märkte versagen, wenn sie nicht zu effizienten Mengen führen (der „Kuchen ist ineffizient klein“). Ursachen hierfür sind [31](#page=31):
* **Unvollständiger Wettbewerb:** Eine Marktseite hat Preissetzungsmacht [31](#page=31).
* **Unvollständige Informationen:** Ungleiche Informationsverteilung zwischen Marktteilnehmern [31](#page=31).
* **Externalitäten:** Auswirkungen einer Entscheidung auf Dritte, die nicht am Marktgeschehen beteiligt sind [31](#page=31).
> **Beispiel:** Eine Person verzichtet auf eine Krankenversicherung, was das Risiko für andere (z. B. Kommilitonen) erhöht, sich anzustecken und medizinische Kosten zu verursachen. Gesellschaftlich wäre eine Versicherung optimal, individuell aber nicht. Ein staatlicher Eingriff kann eine Versicherungspflicht sein [32](#page=32).
* **Individuelles Versagen:** Individuen treffen nicht immer rationale Entscheidungen, was zu ineffizienten Mengen führt. Ein Beispiel ist die unzureichende Vorsorge für den Ruhestand. Die Verhaltensökonomie untersucht dieses Phänomen. Es stellt sich jedoch die Frage, wie der Staat erkennen kann, was für Individuen optimal ist [33](#page=33).
* **Umverteilung:** Auch wenn Märkte effizient sind, kann die resultierende Verteilung von Einkommen und Vermögen nicht den gesellschaftlichen Vorstellungen von Fairness entsprechen. Märkte können zu erheblicher Einkommensungleichheit führen. Staatliche Eingriffe (Steuer- und Transfersysteme) zielen darauf ab, Ressourcen umzuverteilen, um den gesellschaftlichen Fairnessvorstellungen gerecht zu werden [34](#page=34).
> **Tipp:** Es gibt einen Zielkonflikt zwischen Effizienz (Größe des Kuchens) und Gerechtigkeit (Verteilung des Kuchens). Staatliche Eingriffe zur Umverteilung können Anreize verzerren und die Effizienz beeinträchtigen [36](#page=36).
#### 1.3.2 Wie kann der Staat eingreifen?
Diese Frage bezieht sich auf die Instrumente, die dem Staat zur Verfügung stehen, um Effizienz zu steigern und Umverteilungsziele zu erreichen, sowie auf die tatsächliche Nutzung dieser Instrumente in einem spezifischen Kontext wie Österreich [37](#page=37).
#### 1.3.3 Wie beeinflussen diese Interventionen ökonomische Größen?
Da der Staat eine Vielzahl von Interventionsmöglichkeiten hat, ist es entscheidend, die Effekte dieser Interventionen zu kennen, um politische Entscheidungen abwägen zu können. Hierbei unterscheidet man zwischen [50](#page=50):
* **Direkte Effekte:** Mechanische Auswirkungen einer Intervention, die eintreten würden, wenn sich das Verhalten der Individuen nicht ändert. Beispiel: Eine Steuererhöhung steigert mechanisch das Steueraufkommen [51](#page=51).
* **Indirekte Effekte:** Auswirkungen, die sich ergeben, wenn Individuen ihr Verhalten als Reaktion auf die Intervention ändern. Beispiel: Bei höherer Besteuerung reduzieren Topverdiener ihr Arbeitsangebot, was das Steueraufkommen senken und Effizienzverluste verursachen kann [51](#page=51).
> **Tipp:** Die Schätzung indirekter Effekte ist eine Hauptaufgabe der empirischen Finanzwissenschaft und essenziell für die Politikbewertung [51](#page=51).
#### 1.3.4 Warum entscheiden sich Regierungen dafür so zu intervenieren wie sie es tun?
Diese Frage beleuchtet die Gründe für staatliche Handlungen aus der Perspektive der politischen Ökonomie. Der politische Prozess aggregiert die Präferenzen von Millionen von Menschen, um Entscheidungen zu treffen [52](#page=52).
* **Politische Ökonomie:** Untersucht, wie der politische Prozess Entscheidungen hervorbringt, die Individuen und die Wirtschaft beeinflussen. Sie analysiert, wie Politiker:innen Entscheidungen treffen und wie Wahlen sowie Wählerpräferenzen Steuern und Staatsausgaben beeinflussen [53](#page=53).
* **Public Choice Theorie:** Ein Teilgebiet der Politischen Ökonomie, das sich mit „Regierungsfehlern“ beschäftigt, d.h., dass Regierungen nicht immer zum Wohle der Gesellschaft handeln, sondern auch von Eigennutz oder dem Einfluss von Interessengruppen geprägt sein können [53](#page=53).
### 1.4 Normative und positive Analyse
Die Finanzwissenschaft bedient sich zweier analytischer Ansätze [15](#page=15):
* **Normative Analyse:** Beantwortet die Frage „Was sollte sein?“ und basiert oft auf Modellen. Beispiele sind die Frage, wann und wie der Staat eingreifen sollte oder wie hoch Steuern sein sollten [15](#page=15).
* **Positive Analyse:** Beantwortet die Frage „Was ist und warum ist es so, wie es ist?“ und ist meist empirischer Natur. Sie untersucht, wie Staatseingriffe wirken oder ob Steuern das Arbeitsangebot beeinflussen. Die Erkenntnisse der positiven Analyse sind die Grundlage für die normative Analyse [15](#page=15).
### 1.5 Relevanz finanzwissenschaftlicher Fragestellungen
Die Beschäftigung mit finanzwissenschaftlichen Fragestellungen ist aus mehreren Gründen relevant [16](#page=16):
* **Praktische Relevanz:** Staatseingriffe betreffen Millionen von Menschen und sind Gegenstand intensiver öffentlicher Debatten. Der öffentliche Sektor beschäftigt zudem einen erheblichen Teil der Erwerbsbevölkerung [16](#page=16).
* **Akademische Relevanz:** Zentrale ökonomische Fragen sind oft finanzwissenschaftlicher Natur und überschneiden sich mit Mikro- und Makroökonomie sowie Arbeitsmarktökonomie [16](#page=16).
* **Methodische Relevanz:** Die Finanzwissenschaft nutzt eine Vielfalt von Methoden, darunter angewandte Theorie, Empirie und Machine Learning [16](#page=16).
### 1.6 Lernziele des Kurses
Die Lernziele des Kurses zielen darauf ab, dass Studierende [17](#page=17):
1. Verstehen, wie Staatseingriffe die Wirtschaft prägen und welche Auswirkungen wirtschafts- und steuerpolitische Entscheidungen haben.
2. Eine fundierte eigene Meinung zu Steuerpolitik und anderen Staatseingriffen bilden können.
3. Ihr analytisches Denkvermögen verbessern.
### 1.7 Zusammenfassung
Die Finanzwissenschaft untersucht die Rolle des Staates in der Wirtschaft. Staatseingriffe sind durch Marktversagen, individuelles Versagen und Umverteilungswünsche begründbar, wobei ein Zielkonflikt zwischen Effizienz und Gerechtigkeit besteht. Der Staat verfügt über verschiedene Interventionsinstrumente, deren optimale Wahl das Verständnis ihrer indirekten Effekte erfordert. Der politische Prozess spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung staatlicher Interventionen [54](#page=54).
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# Geschichte der Finanzwissenschaft
Die Geschichte der Finanzwissenschaft umfasst die Entwicklung zentraler Denkschulen und Theorien zur Rolle des Staates und seiner Finanzpolitik über mehrere Jahrhunderte [18](#page=18) [19](#page=19) [20](#page=20) [21](#page=21) [22](#page=22) [23](#page=23) [24](#page=24) [25](#page=25).
### 2.1 Kameralisten
Im 17. und 18. Jahrhundert lieferten die deutschen Kameralisten finanzpolitische Vorschläge zur Förderung des Wohlstands absolutistischer Landesfürsten. Ihr Hauptziel war die Maximierung der Steuereinnahmen unter der Bedingung ausreichenden Wirtschaftswachstums. Um dies zu erreichen, verfolgten sie Strategien zur Erweiterung der Steuerbasis und setzten Staatsausgaben zur Wirtschaftsförderung, beispielsweise durch den Ausbau der Infrastruktur, ein [19](#page=19).
### 2.2 Klassiker
Die britischen Nationalökonomen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, allen voran Adam Smith (1723–1790), vertraten die Leitidee, dass das Gemeinwohl am besten durch das freie Spiel des Marktes gefördert wird. Die Rolle des Staates wurde auf Bereiche wie Landesverteidigung, Rechtsprechung, Infrastruktur und Bildung beschränkt; eine Umverteilung wurde nicht als staatliche Aufgabe angesehen. Andere frühe Vertreter wie David Ricardo (1772–1823) analysierten bereits die Effekte von Steuern und öffentlichen Krediten [20](#page=20).
### 2.3 Neoklassiker
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten die Neoklassiker die Marginalbetrachtung (Grenznutzen) als zentrale methodische Grundlage, die bis heute Bestandteil der Finanzwissenschaft ist. Zu den wichtigsten Vertretern dieser Schule zählen John Stuart Mill (1806–1873), Hermann Heinrich Gossen (1810–1858) und Alfred Marshall (1842–1924) [21](#page=21).
### 2.4 Positive Theorie der Staatstätigkeit
Das 20. Jahrhundert war geprägt von der Entwicklung der positiven Theorie der Staatstätigkeit, die sich mit der Frage beschäftigt, wie Entscheidungen über staatliche Aktivitäten getroffen werden (Public Choice Theorie). Diese Theorie postuliert, dass politische Entscheidungen von Individuen im Einklang mit ihren eigenen Interessen getroffen werden. Wichtige Vertreter dieser Richtung sind Knut Wicksell (1851-1926), James M. Buchanan (1919-2013) und Gordon Tullock (1922-2014) [22](#page=22).
### 2.5 Keynesianismus
Der Keynesianismus, begründet von John Maynard Keynes (1883–1946), entstand als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre. Das Kernanliegen war, dass Staaten antizyklisch zur Konjunktur agieren sollten, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Dies bedeutet konkret, in Rezessionsphasen die Staatsausgaben zur Nachfragesteigerung zu erhöhen und in Boomphasen durch Sparen und Schuldenabbau (Steuererhöhungen) entgegenzuwirken [23](#page=23).
### 2.6 Normative Theorie der Staatstätigkeit
Ebenfalls im 20. Jahrhundert entwickelte sich die normative Theorie der Staatstätigkeit, die Marktversagen als Rechtfertigung für staatliche Eingriffe ansieht. Als Beispiele für solche Marktversagen werden öffentliche Güter (Erik Lindahl) und externe Effekte (Arthur Pigou und Ronald Coase) genannt. Richard Musgrave (1910–2007) hat die Gründe für Staatseingriffe systematisch erfasst [24](#page=24).
### 2.7 Die moderne Finanzwissenschaft
Die moderne Finanzwissenschaft, die sich im 21. Jahrhundert verstärkt etabliert, zeichnet sich durch eine engere Verknüpfung theoretischer Modelle mit empirischen Ergebnissen aus, um daraus Politikempfehlungen abzuleiten. Aktuelle Forschungsthemen umfassen beispielsweise die optimale Ausgestaltung von Einkommensteuern, die Nutznießer von Steuersenkungen und die Auswirkungen von Erbschaftsteuern auf die Ungleichheit. Zu den prominenten Vertretern zählen Joseph Stiglitz, Raj Chetty, Emmanuel Saez, Thomas Piketty, Clemens Fuest und Henrik Kleven [25](#page=25).
> **Tip:** Die moderne Finanzwissenschaft legt großen Wert auf die empirische Überprüfung theoretischer Annahmen und die Ableitung konkreter politischer Handlungsempfehlungen [25](#page=25).
Die Forschung im Bereich der modernen Finanzwissenschaft beschäftigt sich mit einer Vielzahl von Themen und fokussiert sich zunehmend auf internationale Vergleiche [26](#page=26) [27](#page=27).
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# Der Umfang und die Struktur staatlicher Interventionen
Dieser Abschnitt beleuchtet das Ausmaß staatlicher Wirtschaftseingriffe anhand von Kennzahlen wie der Staats- und Abgabenquote und analysiert die Struktur der Staatsausgaben.
### 3.1 Wege staatlicher Intervention
Der Staat kann auf verschiedene Weisen in die Wirtschaft eingreifen, um Marktversagen zu beheben oder Umverteilungsziele zu erreichen. Zu den wichtigsten Instrumenten zählen [38](#page=38):
* **Besteuerung und Subventionierung**:
* Die Besteuerung von Gütern, die als "überproduziert" gelten (z.B. CO2-Emissionen), oder die Subventionierung von "unterproduzierten" Gütern (z.B. Impfungen) zielt auf eine Effizienzsteigerung ab, indem Preise und gehandelte Mengen beeinflusst werden [38](#page=38).
* Progressive Besteuerung dient der Umverteilung von Einkommen und Vermögen, wie beispielsweise durch eine Vermögenssteuer [38](#page=38).
* **Regulierung**:
* Diese umfasst Beschränkungen für den Verkauf von "überproduzierten Gütern" (z.B. Qualitätsanforderungen an Kraftstoffe) oder Anordnungen zum Kauf von "unterproduzierten Gütern" (z.B. Auto- oder Krankenversicherung) [38](#page=38).
* **Staatliche Bereitstellung von Gütern**:
* Der Staat kann Güter, die tendenziell unterproduziert werden (z.B. Verteidigung, Krankenversicherung in Kanada), direkt bereitstellen, um Effizienz zu steigern [39](#page=39).
* Diese Bereitstellung kann auch Umverteilungswirkungen haben [39](#page=39).
* **Staatliche Finanzierung von privat bereitgestellten Gütern**:
* Hierbei finanziert der Staat Güter, die zwar als "unterproduziert" gelten, aber vom Privatsektor erbracht werden (z.B. Medikamentenentwicklung), um die Effizienz zu steigern [39](#page=39).
### 3.2 Ausmaß staatlicher Interventionen: Kennzahlen
Zur Messung der Bedeutung des öffentlichen Sektors in einer Volkswirtschaft werden verschiedene Kennzahlen herangezogen [40](#page=40):
* **Staatsausgabenquote (Staatsquote)**:
* Diese Kennzahl setzt die gesamten Staatsausgaben ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) [40](#page=40).
* **Abgabenquote**:
* Sie misst die Pflichtabgaben an den Staat im Verhältnis zum BIP [40](#page=40).
* **Steuerquote**: Bezieht sich auf das Steueraufkommen im Verhältnis zum BIP [40](#page=40).
* **Gesamtabgabenquote**: Umfasst das Steueraufkommen zuzüglich der Sozialversicherungsbeiträge im Verhältnis zum BIP [40](#page=40).
#### 3.2.1 Historische Entwicklung der Abgabenquoten
Die Abgabenquoten, sowohl die Steuerquote als auch die Gesamtabgabenquote, zeigen in vielen Industrieländern eine deutliche Entwicklung über die Zeit [41](#page=41) [42](#page=42).
* **Österreich, Deutschland, UK, USA**: Grafiken veranschaulichen die Entwicklung dieser Quoten von 1960 bis 2020 [41](#page=41) [42](#page=42).
* **Langfristiger internationaler Vergleich (1870-2015)**:
* Im 19. Jahrhundert und bis zum Ersten Weltkrieg lagen die gesamten Steuereinnahmen in reichen Ländern unter 10% des nationalen Einkommens [43](#page=43).
* Ein starker Anstieg erfolgte ab den 1910er/1920er Jahren bis in die 1970er/1980er Jahre [43](#page=43).
* Danach stabilisierten sich die Quoten auf unterschiedlichen Niveaus: rund 30% in den USA, 40% in Großbritannien und 45%-55% in Deutschland, Frankreich und Schweden [43](#page=43).
* Das Bruttonationaleinkommen (BNE) wird als Bezugsgröße verwendet, welche das BIP abzüglich Abschreibungen plus dem Saldo der Primäreinkommen mit der übrigen Welt darstellt. Es repräsentiert die Summe der Einkommen, die im betrachteten Zeitraum von den Gebietsansässigen eines Landes erzielt wurden [43](#page=43).
#### 3.2.2 Staatsausgabenquote im internationalen Vergleich
Auch die Staatsausgabenquote zeigt langfristig einen deutlichen Anstieg, insbesondere bis etwa 1980, wonach sie sich in vielen OECD-Ländern relativ konstant einpendelte [44](#page=44) [47](#page=47).
### 3.3 Struktur der Staatsausgaben
Die Analyse der Struktur der Staatsausgaben verdeutlicht, wofür die staatlichen Einnahmen verwendet werden [45](#page=45).
#### 3.3.1 Entwicklung der Ausgabenstruktur über die Zeit
* **Langfristiger Überblick (1870-2015)**:
* Vor 1914 absorbierten "regaliane Ausgaben" (Militär, Polizei, Justiz, allgemeine Verwaltung, grundlegende Infrastruktur) nahezu alle fiskalischen Einnahmen [46](#page=46).
* Im Jahr 2015 entfielen durchschnittlich 10% des nationalen Einkommens in Westeuropa auf regaliane Ausgaben [46](#page=46).
* Der Ausbau des Sozialstaates ist die Hauptursache für das Wachstum des Staatssektors. Wesentliche Bereiche, die ausgebaut wurden, sind [47](#page=47):
* Öffentliche Bildung: 6% des nationalen Einkommens im Jahr 2015 [46](#page=46).
* Öffentliche Rentenversicherung: 11% des nationalen Einkommens im Jahr 2015 [46](#page=46).
* Öffentliche Krankenversicherung: 9% des nationalen Einkommens im Jahr 2015 [46](#page=46).
* Transferleistungen (nicht Renten, z.B. Arbeitslosenversicherung): 5% des nationalen Einkommens im Jahr 2015 [46](#page=46).
* Sonstige Sozialausgaben (z.B. Wohnen): 6% des nationalen Einkommens im Jahr 2015 [46](#page=46).
#### 3.3.2 Staatsverschuldung
In den meisten entwickelten Ländern übersteigen die Staatsausgaben die Staatseinnahmen. Dies hat zur Anhäufung von Staatsschulden geführt, insbesondere im Zuge der globalen Finanzkrise von 2008-2010 und der COVID-19-Pandemie. Die Schuldenuhr bietet eine tagesaktuelle Darstellung der Staatsschulden [47](#page=47) [48](#page=48).
> **Tip:** Achten Sie bei der Analyse von Staatsfinanzen auf die Unterscheidung zwischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Bruttonationaleinkommen (BNE) als Bezugsgrößen für Quoten, da diese unterschiedliche Perspektiven auf die Wirtschaftsleistung eines Landes bieten.
> **Beispiel:** Die Gesamtabgabenquote gibt ein umfassenderes Bild über die finanzielle Belastung durch den Staat als die reine Steuerquote, da sie auch Sozialversicherungsbeiträge einschließt.
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# Organisatorische und prüfungsbezogene Informationen
Diese Sektion fasst die zentralen organisatorischen Rahmenbedingungen, Termine, Materialien sowie Prüfungsmodalitäten für den Kurs zusammen.
### 4.1 Vorlesungsstruktur und Termine
Die Präsenzvorlesung zum Kurs „Marktwirtschaft und Staat“ findet wöchentlich statt [3](#page=3).
* **Zeit:** Mittwochs, 13:45 bis 15:15 Uhr [3](#page=3).
* **Raum:** BA 9911 [3](#page=3).
* **Vorlesungsende:** 21. Mai 2025 [3](#page=3).
Zusätzlich gibt es zwei Sondertermine:
* Donnerstag, 06. März 2025, 13:45 Uhr in Raum K 033C [3](#page=3).
* Donnerstag, 13. März 2025, 13:45 Uhr in Raum K 033C [3](#page=3).
Die insgesamt 12 Vorlesungstermine im Detail sind:
* **März:** 05.03.2025, 06.03.2025 (Do.), 12.03.2025, 13.03.2025 (Do.), 19.03.2025, 26.03.2025 [3](#page=3).
* **April:** 02.04.2025, 09.04.2025, 30.04.2025 [3](#page=3).
* **Mai:** 07.05.2025, 14.05.2025, 21.05.2025 [3](#page=3).
#### 4.1.1 MuSSS-Kurs
Parallel zum regulären Kurs existiert ein MuSSS-Kurs. Die Inhalte und Unterlagen sind identisch zum regulären Kurs. Studierende des MuSSS-Kurses sind ausdrücklich zur Teilnahme an der Präsenzvorlesung eingeladen [4](#page=4).
### 4.2 Kursunterlagen und Materialien
Alle Kursunterlagen für sowohl den regulären Kurs als auch den MuSSS-Kurs werden zentral über Moodle bereitgestellt und wöchentlich aktualisiert. Für den MuSSS-Kurs werden zudem wöchentlich Videos zur Vorlesung angeboten, auf die alle Studierenden, unabhängig von ihrer Kurszugehörigkeit, Zugriff haben [4](#page=4).
### 4.3 Prüfungsmodalitäten
Der reguläre Kurs und der MuSSS-Kurs werden gemeinsam geprüft. Die Leistungsbeurteilung erfolgt über eine Hauptklausur und eine Nachklausur, wobei das jeweils bessere Ergebnis zählt [5](#page=5).
#### 4.3.1 Prüfungsformat
Die Klausur hat eine Dauer von 60 Minuten und wird auf der Plattform Moodle in den Computerräumen der JKU abgehalten. Die Prüfungsfragen umfassen Multiple Choice-, Single Choice- und numerische Fragen [5](#page=5).
* **Bestehensgrenze:** 30 von 60 Punkten [5](#page=5).
* **Probeklausur:** Es wird eine Probeklausur angeboten, deren Details gesondert angekündigt werden [5](#page=5).
Weitere Ankündigungen bezüglich der Prüfung sind zu beachten [5](#page=5).
#### 4.3.2 Prüfungstermine
* **Hauptklausur:** Mittwoch, 28. Mai 2025, 13:45 - 15:15 Uhr [5](#page=5).
* **Nachklausur:** Mittwoch, 04. Juni 2025, 13:45 - 15:15 Uhr [5](#page=5).
#### 4.3.3 Voraussetzungen und Anmeldung
Eine Prüfungsanmeldung ist zwingend über KUSSS erforderlich. Als Antrittsvoraussetzung für die Klausur muss die StEOP (Studien- und Prüfungsordnung) abgeschlossen sein [6](#page=6).
### 4.4 Fragen zur Vorlesung
Es gibt zwei Hauptwege, um Fragen zur Vorlesung zu stellen:
1. Direkt während der Präsenzkursstunden [6](#page=6).
2. Über die eingerichteten Moodle-Foren, insbesondere für den MuSSS-Kurs [6](#page=6).
### 4.5 Prüfungskommission
Bei einer kommissionellen Prüfung setzt sich die Prüfungskommission wie folgt zusammen:
* **Erstprüfer:** Ulrich Glogowsky [6](#page=6).
* **Zweitprüferin:** Johanna Reuter [6](#page=6).
* **Vorsitzende:** Susanne Pech [6](#page=6).
### 4.6 Intensivierungskurse
Die Intensivierungskurse (IKs) dienen der Vertiefung des Vorlesungsstoffs und beinhalten typischerweise Rechenbeispiele sowie Moodle-Hausübungen. Alle Intensivierungskurse werden gemeinsam geprüft [7](#page=7).
#### 4.6.1 Dozent:innen der Intensivierungskurse
Die Dozent:innen der Intensivierungskurse sind:
* Manfred Küllinger [7](#page=7).
* Susanne Pech [7](#page=7).
* Johanna Reuter [7](#page=7).
### 4.7 Literatur und Voraussetzungen
Die Vorlesung orientiert sich „lose“ an der Primärliteratur [8](#page=8).
#### 4.7.1 Primärliteratur
* Gruber: Public Finance and Public Policy. Worth Publishers. 2019 [57](#page=57) [8](#page=8).
* Aktuelle Forschungsarbeiten [8](#page=8).
#### 4.7.2 Sekundärliteratur
* Rosen & Gayer: Public Finance. Global Edition. McGraw-Hill Education. 2014 [8](#page=8).
* Mankiw & Taylor: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. Schäffer-Poeschel. 2016 [8](#page=8).
* Breyer & Buchholz: Ökonomie des Sozialstaats. Springer. 2018 [8](#page=8).
* Homburg: Allgemeine Steuerlehre. Vahlen. 2010 [8](#page=8).
* Nowotny & Zagler: Der öffentliche Sektor. Springer. 2009 [8](#page=8).
#### 4.7.3 Weitere empfohlene Literatur
* Tanzi und Schuknecht: Public Spending in the 20th Century. Cambridge University Press. 2000 [57](#page=57).
* Kleven: Language Trends in Public Economics. 2018 [57](#page=57).
* Kahneman: Thinking, Fast and Slow. Penguin. 2012 [57](#page=57).
* EU-Kommission: Statistischer Anhang der Europäischen Wirtschaft. 2017 [57](#page=57).
* OECD: OECD-Revenue Statistics 1965 – 2017. 2018 [57](#page=57).
* Piketty: Capital and Ideology. Harvard University Press. 2020 [57](#page=57).
#### 4.7.4 Akademische Voraussetzungen
Die Vorlesung setzt Grundkenntnisse in folgenden Bereichen voraus:
* Einführung in die Volkswirtschaftslehre [8](#page=8).
* Einführung in die Mikroökonomie [8](#page=8).
### 4.8 Gliederung des Kurses
Der Kurs ist in folgende Themenbereiche gegliedert [55](#page=55) [56](#page=56) [9](#page=9):
1. Einordnung und Lernziele des Kurses [9](#page=9).
2. Geschichte der Finanzwissenschaft [9](#page=9).
3. Die zentralen Fragen der Finanzwissenschaft [9](#page=9).
4. Einführung [56](#page=56).
5. Grundlagen der Finanzwissenschaft: Theorie [56](#page=56).
6. Steuern in Theorie und Praxis: Grundlagen [56](#page=56).
7. Steuern in Theorie und Praxis: Die Wirkung von Steuern [56](#page=56).
8. Steuern in Theorie und Praxis: Optimale Besteuerung [56](#page=56).
9. Öffentliche Güter [56](#page=56).
10. Externe Effekte [56](#page=56).
11. Sozialpolitik: Grundlagen der Sozialversicherung [56](#page=56).
12. Sozialpolitik: Arbeitslosenversicherung [56](#page=56).
13. Sozialpolitik: Pensionsversicherung [56](#page=56).
14. Sozialpolitik: Kranken- und Unfallversicherung [56](#page=56).
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## Häufige fehler vermeiden
- Überprüfen Sie alle Themen gründlich vor Prüfungen
- Achten Sie auf Formeln und wichtige Definitionen
- Üben Sie mit den in jedem Abschnitt bereitgestellten Beispielen
- Memorieren Sie nicht ohne die zugrunde liegenden Konzepte zu verstehen
Glossary
| Term | Definition |
|------|------------|
| Finanzwissenschaft | Das Fachgebiet der Wirtschaftswissenschaften, das sich mit der Rolle und den Aktivitäten des Staates in der Wirtschaft befasst, einschließlich Besteuerung, Staatsausgaben, Regulierung und makroökonomischer Stabilisierung. |
| Marktversagen | Eine Situation, in der die Märkte allein nicht zu einer effizienten Allokation von Ressourcen führen, was staatliche Eingriffe zur Korrektur erforderlich machen kann. Dies kann durch unvollständigen Wettbewerb, unvollständige Informationen oder Externalitäten verursacht werden. |
| Individuelles Versagen | Beschreibt Situationen, in denen Individuen aufgrund von kognitiven Einschränkungen oder Verhaltensverzerrungen nicht immer rationale Entscheidungen treffen, was zu ineffizienten Ergebnissen führen kann und potenziell staatliche Interventionen rechtfertigt. |
| Umverteilung | Staatliche Maßnahmen, die darauf abzielen, Einkommen und Vermögen von einer Gruppe von Bürgern zu einer anderen zu übertragen, oft durch progressive Besteuerung und Transferzahlungen, um gesellschaftliche Vorstellungen von Fairness zu erfüllen. |
| Pareto-Effizienz | Ein Zustand, in dem keine Verbesserung der Situation eines Individuums möglich ist, ohne die Situation eines anderen Individuums zu verschlechtern. Perfekt funktionierende Märkte streben Pareto-Effizienz in der Allokation an. |
| Externalität | Eine Auswirkung einer wirtschaftlichen Transaktion auf eine dritte Partei, die nicht direkt an der Transaktion beteiligt ist. Diese können positiv (z.B. Impfungen) oder negativ (z.B. Umweltverschmutzung) sein. |
| Positive Analyse | Eine ökonomische Analyse, die darauf abzielt, wirtschaftliche Phänomene objektiv zu beschreiben und zu erklären, indem sie sich auf Fakten und beobachtbare Zusammenhänge konzentriert, ohne Werturteile zu fällen. |
| Normative Analyse | Eine ökonomische Analyse, die sich mit Fragen des „Sollens“ befasst und darauf abzielt, Empfehlungen für wirtschaftspolitische Maßnahmen zu geben, basierend auf bestimmten Wertvorstellungen oder Zielen. |
| Staatsquote | Ein Maß für die wirtschaftliche Bedeutung des Staates, das die gesamten Staatsausgaben ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) setzt. |
| Abgabenquote | Ein Indikator für die Belastung der Volkswirtschaft durch staatliche Forderungen, der die gesamten Pflichtabgaben (Steuern und Sozialversicherungsbeiträge) ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) setzt. |
| Direkte Effekte | Die unmittelbaren, mechanischen Auswirkungen einer staatlichen Intervention, die sich ergeben würden, wenn die Verhaltensweisen der Individuen unverändert blieben. |
| Indirekte Effekte | Die Auswirkungen einer staatlichen Intervention, die sich aus der Verhaltensänderung der Individuen als Reaktion auf die Intervention ergeben. Diese sind entscheidend für die Politikbewertung. |
| Politische Ökonomie | Ein Forschungsfeld, das untersucht, wie politische Prozesse (wie Wahlen, Lobbyismus) und individuelle Interessen Entscheidungen über staatliche Interventionen und deren Allokation beeinflussen. |
| Public Choice Theorie | Ein Teilgebiet der politischen Ökonomie, das die Anwendung ökonomischer Methoden auf politische Entscheidungsprozesse untersucht und dabei oft die Möglichkeit von „Regierungsfehlern“ aufgrund von Eigennutz oder Partikularinteressen hervorhebt. |