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Summary
# Chemische Reaktionen in wässriger Lösung
Chemische Reaktionen in wässriger Lösung umfassen die Grundlagen von Lösungen, die Beschreibung von Konzentrationen und die elektrolytische Dissoziation von Stoffen in Wasser [1](#page=1).
### 1.1 Grundlagen von Lösungen
Lösungen sind homogene Mischungen, bestehend aus einem Lösungsmittel (Komponente im Überschuss) und einem gelösten Stoff (Komponente im Unterschuss). In Wasser können Gase, Flüssigkeiten und Feststoffe gelöst werden, beispielsweise Sauerstoff, Ethanol oder Natriumchlorid. Wasser fungiert hierbei oft als "dissoziierendes Lösungsmittel" und kann zur Bildung von Hydroxid- (OH-) und Oxoniumionen (H3O+) führen [2](#page=2).
#### 1.1.1 Konzentrationsangaben
Zur Beschreibung der Zusammensetzung von Lösungen werden verschiedene Konzentrationsangaben verwendet:
* **Gewichtsprozent (Gew.-%)**: Gibt die Masse des gelösten Stoffes in 100 Gramm Lösung an [3](#page=3).
* **Volumenprozent (Vol.-%)**: Gibt das Volumen des gelösten Stoffes in 100 cm³ Lösung an [3](#page=3).
* **Molarität (mol/L)**: Gibt die Stoffmenge des gelösten Stoffes in einem Liter Lösung an [3](#page=3).
* **Molalität (mol/kg Lösungsmittel)**: Gibt die Stoffmenge des gelösten Stoffes in einem Kilogramm Lösungsmittel an [3](#page=3).
* **Molprozent (Stoffmengenanteil)**: Gibt die Stoffmenge des gelösten Stoffes in 100 Mol der gesamten Lösung an [3](#page=3).
* **Molenbruch**: Gibt das Verhältnis der Stoffmenge einer Komponente zur Gesamtstoffmenge der Lösung an (mol/mol Lösung) [3](#page=3).
* **Partialdruck**: Wird für Gase in Lösungen verwendet und kann in bar oder atm angegeben werden [3](#page=3).
#### 1.1.2 Sättigungskonzentration
Die Sättigungskonzentration beschreibt ein Zweiphasengleichgewicht zwischen einer Lösung und einem ungelösten Feststoff (Bodenkörper) [2](#page=2).
### 1.2 Elektrolytische Dissoziation und Leitfähigkeit
Die Auflösung von Salzen in Wasser, wie beispielsweise Kochsalz (NaCl), führt zur Solvatation, bei der sich Solvathüllen um Anionen und Kationen bilden. Dieser Prozess der elektrolytischen Dissoziation ist entscheidend für die Leitfähigkeit wässriger Lösungen. Elektrolyte leiten den elektrischen Strom durch den Transport von Ionen, während Metalle den Strom durch Elektronenleitung leiten (Leiter I. und II. Klasse) [4](#page=4) [5](#page=5).
Die quantitative Beschreibung der elektrolytischen Stromleitung erfolgt über die Faraday'schen Gesetze:
1. Das erste Faraday'sche Gesetz besagt, dass die elektrolytisch abgeschiedenen Stoffmengen direkt proportional zur durch den Elektrolyten geflossenen Ladung sind [5](#page=5).
2. Das zweite Faraday'sche Gesetz legt fest, dass zur Abscheidung von 1 Mol Teilchen die Ladungsmenge $z \cdot F$ erforderlich ist, wobei $F$ die Faraday-Konstante ist ($F = N_A \cdot e = 96485$ C/mol). Die Formel hierfür lautet [5](#page=5):
$$Fz \cdot m = I \cdot t$$
oder umgestellt nach der Masse $M$:
$$M = \frac{Fzm}{t \cdot I}$$
wobei $I$ der Strom, $t$ die Zeit, $m$ die Masse und $z$ die Wertigkeit des Ions ist [5](#page=5).
Die Leitfähigkeit von Elektrolyten nimmt mit steigender Temperatur zu, während die Leitfähigkeit von Metallen mit steigender Temperatur abnimmt [5](#page=5).
> **Tip:** Die elektrolytische Stromleitung ist untrennbar mit Stofftransport und Stoffumsatz verbunden.
#### 1.2.1 Hydratation und Lösungsenthalpie
Der Lösungsvorgang ist mit einem Energieumsatz verbunden, der durch die Lösungsenthalpie ($\Delta H_L$) beschrieben wird. Diese ist die Differenz zwischen der Gitterenergie ($U$) des Salzes und der Hydratationsenthalpie ($\Delta H_{Hydr.}$) der gebildeten Ionen [6](#page=6):
$$\Delta H_L = U - \Delta H_{Hydr.}$$
Bei Salzen wie KCl ist die Auflösung endotherm ($\Delta H_L > 0$), was bedeutet, dass sich die Lösung abkühlt. Bei anderen Salzen wie CaCl₂ · 2 H₂O kann die Auflösung exotherm sein. Die Auflösung von Salzen kann trotz einer endothermen Lösungsenthalpie ($\Delta H_L > 0$) thermodynamisch begünstigt sein, wenn die Entropiezunahme ($\Delta S_L > 0$) groß genug ist, sodass die freie Enthalpie $\Delta G_L = \Delta H_L - T \Delta S_L < 0$ wird [6](#page=6).
### 1.3 Kollegative Eigenschaften von Lösungen
Kollegative Eigenschaften von Lösungen hängen nur von der Anzahl der gelösten Teilchen ab, nicht von deren Art. Dies kann durch Messung des osmotischen Drucks bestimmt werden [7](#page=7).
#### 1.3.1 Osmotischer Druck
Der osmotische Druck ($\Pi$) beschreibt den Druck, der erforderlich ist, um den Fluss von Lösungsmittel durch eine semipermeable Membran zu verhindern. Er kann durch die van't Hoff-Gleichung beschrieben werden, die dem idealen Gasgesetz ähnelt:
$$\Pi \cdot V = n \cdot R \cdot T$$
oder als Konzentration:
$$\Pi = c \cdot R \cdot T$$
Hierbei ist $c$ die Gesamtkonzentration aller gelösten Teilchen, $R$ die ideale Gaskonstante und $T$ die absolute Temperatur [8](#page=8).
**Beispiele für osmotischen Druck:**
* Für 1 Mol Glucose in 22,4 L Wasser: $\Pi_{osm} \approx 1,013$ bar [8](#page=8).
* Für 1 Mol NaCl in 22,4 L Wasser: $\Pi_{osm} \approx 2,026$ bar, da NaCl in Na⁺ und Cl⁻ dissoziiert. Dies unterstreicht die Wichtigkeit der Anzahl der gelösten Teilchen [8](#page=8).
Der osmotische Druck beeinflusst auch Siedepunkt und Gefrierpunkt von Lösungen [8](#page=8).
#### 1.3.2 Siedepunkterhöhung und Gefrierpunkterniedrigung
Diese Effekte beruhen auf der Dampfdruckerniedrigung von Lösungen im Vergleich zum reinen Lösungsmittel [9](#page=9).
Das **Raoult'sche Gesetz** beschreibt den Gesamtdampfdruck einer Lösung aus zwei Komponenten A und B:
$$p = p_A + p_B$$
wobei $p_A = x_A \cdot p°_A$ und $p_B = x_B \cdot p°_B$, mit $x$ als Molenbruch [9](#page=9).
Für eine Lösung eines nichtflüchtigen Stoffes B (also $p°_B = 0$) im Lösungsmittel A gilt:
$$p = x_A \cdot p°_A = (1 - x_B) \cdot p°_A$$
Die Dampfdruckerniedrigung ($\Delta p$) ist somit:
$$\Delta p = p°_A - p = p°_A \cdot x_B$$
Diese Dampfdruckerniedrigung führt zu zwei Temperatureffekten [9](#page=9):
* **Siedepunkterhöhung (Ebullioskopie)**: Die Erhöhung des Siedepunkts ($\Delta T_S$) ist proportional zur Dampfdruckerniedrigung und damit zur Stoffmenge des gelösten Stoffes ($n_2$) [11](#page=11).
$$\Delta T_S = E_S \cdot n_2$$
wobei $E_S$ die molare Siedepunkterhöhung ist [11](#page=11).
* **Gefrierpunkterniedrigung (Kryoskopie)**: Die Erniedrigung des Gefrierpunkts ($\Delta T_G$) ist ebenfalls proportional zur Dampfdruckerniedrigung und Stoffmenge ($n_2$) [11](#page=11).
$$\Delta T_G = E_G \cdot n_2$$
wobei $E_G$ die molare Gefrierpunkterniedrigung ist [11](#page=11).
Für Wasser betragen die Konstanten $E_S = 0,52$ K kg mol⁻¹ und $E_G = 1,86$ K kg mol⁻¹. Durch Messung der Gefrierpunktserniedrigung und Kenntnis der Einwaage ($m$) kann die Molmasse ($M$) von Stoffen, insbesondere Makromolekülen, bestimmt werden ($n = m/M$) [11](#page=11).
> **Tip:** Die Bestimmung der Molmasse von Makromolekülen ist durch Messung der Siedepunkterhöhung oder Gefrierpunkterniedrigung eine wichtige Anwendung kollegativer Eigenschaften.
### 1.4 Neutralisation
Die Neutralisation von Säuren und Basen in wässriger Lösung ist eine exotherme Reaktion, die mit einer Enthalpieänderung verbunden ist [12](#page=12).
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# Säuren, Basen und ihre Gleichgewichte
Dieser Abschnitt behandelt die grundlegenden Definitionen von Säuren und Basen nach verschiedenen Theorien, die Autoprotolyse des Wassers, die quantitativen Beschreibungen von Säure- und Basenstärken durch Konstanten sowie die Berechnung von pH-Werten und Dissoziationsgraden.
### 2.1 Definitionen von Säuren und Basen
Die Konzepte von Säuren und Basen wurden im Laufe der Zeit weiterentwickelt, wobei verschiedene Modelle ihre Eigenschaften und Reaktionen beschreiben.
#### 2.1.1 Arrhenius-Konzept
Das Arrhenius-Konzept, obwohl grundlegend, ist auf wässrige Lösungen beschränkt und definiert:
* **Säuren:** Stoffe, die in Wasser dissoziieren und Wasserstoffionen ($H^+$), die als Oxoniumionen ($H_3O^+$) vorliegen, freisetzen [15](#page=15).
* **Basen:** Stoffe, die in Wasser dissoziieren und Hydroxidionen ($OH^-$) freisetzen [16](#page=16).
#### 2.1.2 Brønsted-Lowry-Konzept
Dieses Konzept erweitert die Definitionen und ist universeller anwendbar:
* **Säuren:** Protonendonatoren (geben $H^+$ ab) [17](#page=17).
* **Basen:** Protonenakzeptoren (nehmen $H^+$ auf) [17](#page=17).
Bei einer Reaktion zwischen einer Säure und einer Base findet ein Protonentransfer statt. Dabei entstehen korrespondierende Säure-Base-Paare:
* Eine Säure ($HA$) gibt ein Proton ab und wird zu ihrer korrespondierenden Base ($A^-$).
* Eine Base ($B$) nimmt ein Proton auf und wird zu ihrer korrespondierenden Säure ($BH^+$).
* **Beispiele für korrespondierende Säure-Base-Paare:**
* $HCl$ (Säure) / $Cl^-$ (Base) [17](#page=17).
* $H_3O^+$ (Säure) / $H_2O$ (Base) [17](#page=17).
* $NH_4^+$ (Säure) / $NH_3$ (Base) [17](#page=17).
* $H_2O$ (Säure) / $OH^-$ (Base) [17](#page=17).
**Amphoteres Verhalten:** Wasser ist amphoter, d.h., es kann sowohl als Säure als auch als Base agieren [17](#page=17).
#### 2.1.3 Lewis-Konzept
Das Lewis-Konzept ist die umfassendste Definition und betrachtet Elektronenpaare:
* **Lewis-Säuren:** Elektronenpaarakzeptoren.
* **Lewis-Basen:** Elektronenpaardonatoren.
Dieses Konzept beschreibt auch Reaktionen, bei denen kein Proton übertragen wird, wie z.B. die Reaktion von $BF_3$ (Lewis-Säure) mit $NH_3$ (Lewis-Base).
### 2.2 Säuretypen und Mehrbasigkeit
Säuren können nach ihrer Struktur klassifiziert werden [18](#page=18):
* **Halogenwasserstoffsäuren:** Z.B. $HCl$, $HBr$, $HI$. Sie lösen sich gut in Wasser und dissoziieren in solvatisierte Ionen [15](#page=15).
* **Hydroxosäuren:** Z.B. $Si(OH)_4$.
* **Oxosäuren:** Z.B. $H_2SO_4$, $H_3PO_4$.
* **Carbonsäuren:** Z.B. $CH_3COOH$.
* **Aquasäuren:** Z.B. $[Fe(H_2O)_6]^{3+}$.
**Mehrbasige Säuren und Basen:**
* **Mehrbasige Säuren** können mehr als ein Proton abgeben (z.B. $H_3PO_4$, $H_2SO_4$) [19](#page=19).
* **Mehrbasige Basen** können mehrere Protonen aufnehmen (z.B. $Ca(OH)_2$, $H_2NNH_2$) [19](#page=19).
### 2.3 Autoprotolyse des Wassers
Wasser unterliegt der Autoprotolyse, einer Selbstionisierung, bei der ein Wassermolekül ein Proton auf ein anderes überträgt [13](#page=13).
$$2 H_2O \rightleftharpoons H_3O^+ + OH^-$$
Diese Reaktion ist endotherm. Die Gleichgewichtskonstante für diese Reaktion wird als Ionenprodukt des Wassers ($K_W$) bezeichnet [13](#page=13):
$$K_W = [H_3O^+][OH^-] = 10^{-14} \text{ mol}^2/\text{L}^2 \text{ bei 298 K}$$
Unter Standardbedingungen sind die Konzentrationen von $H_3O^+$ und $OH^-$ gleich [13](#page=13):
$$[H_3O^+] = [OH^-] = 10^{-7} \text{ mol/L}$$
Die Temperatur hat einen signifikanten Einfluss auf $K_W$: Eine Temperaturerhöhung führt zu einer Steigerung von $K_W$ und damit auch zu einer Verschiebung des Neutralpunkts [13](#page=13).
### 2.4 Säure- und Basenkonstanten
Die Stärke von Säuren und Basen wird quantitativ durch ihre Gleichgewichtskonstanten beschrieben.
#### 2.4.1 Säurekonstante ($K_S$)
Für eine Säure $HA$ im Gleichgewicht mit Wasser gilt:
$$HA + H_2O \rightleftharpoons A^- + H_3O^+$$
Die Säurekonstante ($K_S$) ist definiert als:
$$K_S = \frac{[A^-][H_3O^+]}{[HA]}$$
Da die Konzentration von Wasser ($[H_2O]$) im wässrigen Milieu als konstant (ca. 55,6 mol/L) angenommen wird, erscheint sie nicht im Ausdruck für $K_S$. Die Einheit von $K_S$ ist mol/L. Der $pK_S$-Wert ist definiert als $pK_S = -\log K_S$. Ein kleinerer $pK_S$-Wert bedeutet eine stärkere Säure [20](#page=20).
#### 2.4.2 Basenkonstante ($K_B$)
Für eine Base $B$ im Gleichgewicht mit Wasser gilt:
$$B + H_2O \rightleftharpoons BH^+ + OH^-$$
Die Basenkonstante ($K_B$) ist definiert als:
$$K_B = \frac{[BH^+][OH^-]}{[B]}$$
Ähnlich wie bei $K_S$ wird die Konzentration von Wasser als konstant betrachtet. Die Einheit von $K_B$ ist mol/L. Der $pK_B$-Wert ist definiert als $pK_B = -\log K_B$ [20](#page=20).
#### 2.4.3 Beziehung zwischen $K_S$ und $K_B$ für korrespondierende Paare
Für ein korrespondierendes Säure-Base-Paar ($HA/A^-$) in Wasser gilt die Beziehung:
$$K_S \cdot K_B = K_W$$
Daraus folgt für die $pK$-Werte:
$$pK_S + pK_B = pK_W = 14 \text{ (bei 298 K)}$$
#### 2.4.4 Mehrbasige Säuren
Bei mehrbasigen Säuren erfolgen die Protonenabgaben in mehreren Schritten, die jeweils durch eine eigene Säurekonstante beschrieben werden. Für Schwefelsäure ($H_2SO_4$):
Erste Dissoziationsstufe:
$$H_2SO_4 + H_2O \rightleftharpoons HSO_4^- + H_3O^+ \quad K_{S,1} = \frac{[HSO_4^-][H_3O^+]}{[H_2SO_4]}$$
Zweite Dissoziationsstufe:
$$HSO_4^- + H_2O \rightleftharpoons SO_4^{2-} + H_3O^+ \quad K_{S,2} = \frac{[SO_4^{2-}][H_3O^+]}{[HSO_4^-]}$$
Die Gesamtkonstante ($K_{S,ges}$) für die Gesamtreaktion ($H_2SO_4 + 2 H_2O \rightleftharpoons SO_4^{2-} + 2 H_3O^+$) ist das Produkt der Einzelkonstanten:
$$K_{S,ges} = K_{S,1} \cdot K_{S,2} = \frac{[SO_4^{2-}][H_3O^+]^2}{[H_2SO_4]}$$
### 2.5 Der pH-Wert
Der pH-Wert ist ein Maß für die Acidität oder Alkalinität einer wässrigen Lösung und ist definiert als der negative dekadische Logarithmus der Oxoniumionen-Aktivität, die bei verdünnten Lösungen oft durch die Konzentration angenähert wird [22](#page=22).
$$pH = -\log [H_3O^+]$$
Analog dazu wird der pOH-Wert definiert:
$$pOH = -\log [OH^-]$$
Zwischen pH und pOH besteht eine direkte Beziehung aufgrund des Ionenprodukts des Wassers:
$$pH + pOH = 14 \text{ (bei 298 K)}$$
Dies bedeutet, dass die Angabe des pH-Werts ausreicht, um den Säure-Base-Charakter einer Lösung zu beschreiben, auch wenn diese basisch ist [24](#page=24).
* **pH < 7:** saure Lösung
* **pH = 7:** neutrale Lösung
* **pH > 7:** alkalische (basische) Lösung
#### 2.5.1 pH-Berechnungen
**Starke Säuren und Basen:** Sie dissoziieren vollständig [25](#page=25).
* Beispiel: 0,1 mol/L $HCl$: $[H_3O^+] = 0,1$ mol/L, $pH = 1$ [25](#page=25).
* Beispiel: 0,1 mol/L $NaOH$: $[OH^-] = 0,1$ mol/L, $pOH = 1$, $pH = 13$ [25](#page=25).
* Beispiel: 0,005 mol/L $H_2SO_4$: Da $H_2SO_4$ zweiprotonig ist und die erste Stufe vollständig dissoziiert, ist $[H_3O^+] = 2 \cdot 0,005$ mol/L $= 0,01$ mol/L $= 10^{-2}$ mol/L, $pH = 2$ [25](#page=25).
**Schwache Säuren und Basen:** Sie dissoziieren unvollständig und das Gleichgewicht muss berücksichtigt werden. Die Berechnung erfordert oft die Lösung einer quadratischen Gleichung.
* Beispiel: 0,1 mol/L Essigsäure ($CH_3COOH$), $K_S = 1,8 \cdot 10^{-5}$ mol²/L² [26](#page=26).
$$K_S = \frac{[CH_3COO^-][H_3O^+]}{[CH_3COOH]} = \frac{[H_3O^+]^2}{0,1 - [H_3O^+]}$$
Die Lösung der quadratischen Gleichung ergibt $[H_3O^+] \approx 1,33 \cdot 10^{-3}$ mol/L, daraus folgt $pH \approx 2,88$ [26](#page=26).
### 2.6 Dissoziationsgrad (Protolysegrad)
Der Dissoziationsgrad ($\alpha$) gibt an, welcher Anteil einer Säure oder Base dissoziiert ist [27](#page=27).
$$\alpha = \frac{[\text{dissoziiert}]}{[\text{gesamt}]} = \frac{[OAc^-]}{[HOAc + [OAc^-]}$$
Für eine schwache Säure gilt unter Annahme von $[HOAc \approx c$ (Gesamtkonszentration der Säure) und $[OAc^-] = [H_3O^+]$:
$$\alpha = \frac{[H_3O^+]}{c}$$
### 2.7 Ostwaldsches Verdünnungsgesetz
Das Ostwaldsche Verdünnungsgesetz besagt, dass bei zunehmender Verdünnung einer schwachen Elektrolytlösung (Säure oder Base) der Dissoziationsgrad $\alpha$ steigt. Das bedeutet, eine Verdünnung führt zu einer stärkeren Dissoziation. Dies kann experimentell über die Ionenleitfähigkeit nachgewiesen werden [27](#page=27) [28](#page=28).
Für eine schwache Säure kann dies auch ausgedrückt werden als:
$$K_S = \frac{\alpha^2 c}{1-\alpha}$$
Für $\alpha \ll 1$ (sehr schwache Säuren oder stark verdünnte Lösungen) vereinfacht sich dies zu:
$$\alpha \approx \sqrt{\frac{K_S}{c}}$$
### 2.8 Neutralisation und Titration
Die Neutralisation ist die Reaktion einer Säure mit einer Base. Die Säure-Base-Titration ist eine Methode, um die Konzentration einer unbekannten Säure oder Base durch Reaktion mit einer Lösung bekannter Konzentration zu bestimmen [30](#page=30).
* **Äquivalenzpunkt:** Der Punkt, an dem die Stoffmenge der zugegebenen Säure der Stoffmenge der vorhandenen Base (oder umgekehrt) entspricht.
* **Titrationskurven:** Diagramme, die den pH-Wert der Lösung während der Titration gegen den Titrationsgrad (oder das zugegebene Volumen) auftragen [30](#page=30).
* **Starke Säure / Starke Base:** Der Äquivalenzpunkt liegt bei pH 7 [30](#page=30).
* **Schwache Säure / Starke Base:** Der Äquivalenzpunkt liegt im alkalischen Bereich (pH > 7). Der Pufferbereich ist charakteristisch, und der $pH = pK_S$ im Halbäquivalenzpunkt [31](#page=31).
#### 2.8.1 Wahl des Indikators
Säure-Base-Indikatoren sind schwache Säuren oder Basen, deren Farbe sich im pH-Bereich ändert. Die Wahl des Indikators hängt vom erwarteten pH-Bereich des Äquivalenzpunkts ab, um eine genaue Bestimmung zu gewährleisten [32](#page=32).
### 2.9 Pufferlösungen
Pufferlösungen sind Lösungen, die in der Lage sind, den pH-Wert bei Zugabe kleiner Mengen von Säuren oder Basen nahezu konstant zu halten. Sie bestehen typischerweise aus einer schwachen Säure und ihrer konjugierten Base (oder einer schwachen Base und ihrer konjugierten Säure) [37](#page=37).
* **Beispiel: Acetatpuffer** ($CH_3COOH$/$CH_3COO^-$) [37](#page=37).
* **Henderson-Hasselbalch-Gleichung:** Beschreibt den pH-Wert einer Pufferlösung:
$$pH = pK_S + \log \frac{[\text{konjugierte Base}]}{[\text{schwache Säure}]}$$
Wenn die konjugierte Base ein Salz ist (z.B. $NaOAc$), lautet die Gleichung:
$$pH = pK_S + \log \frac{[\text{Salz}]}{[\text{Säure}]}$$
Diese Gleichung zeigt, dass bei gleichen Konzentrationen von Säure und konjugierter Base ($[\text{Salz}] = [\text{Säure}]$), der pH-Wert gleich dem $pK_S$-Wert der schwachen Säure ist [37](#page=37).
**Pufferkapazität:** Ein Maß dafür, wie viel Säure oder Base eine Pufferlösung aufnehmen kann, bevor der pH-Wert signifikant abfällt [38](#page=38).
### 2.10 pH-Abhängigkeit von Gleichgewichten
Viele chemische Gleichgewichte, insbesondere solche, die Protonen involvieren, sind vom pH-Wert der Lösung abhängig. Dies folgt dem Prinzip von Le Chatelier.
* **Beispiel: Chromat-Dichromat-Gleichgewicht:**
$$2 H^+ + 2 CrO_4^{2-} \rightleftharpoons Cr_2O_7^{2-} + H_2O$$
Bei saurem pH (hohe $[H^+]$) liegt das Gleichgewicht auf der Seite des Dichromats (orange), bei alkalischem pH (niedrige $[H^+]$) auf der Seite des Chromats (gelb) [35](#page=35).
### 2.11 Saure bzw. alkalische Reaktion von Salzen
Salze können in Wasser hydrolysieren und den pH-Wert der Lösung beeinflussen, abhängig von der Stärke der ursprünglichen Säure und Base, aus denen sie gebildet wurden [36](#page=36).
* **Salze starker Säuren und starker Basen:** Z.B. $NaCl$. Sie hydrolysieren nicht und bilden neutrale Lösungen [36](#page=36).
* **Salze schwacher Säuren und starker Basen:** Z.B. Natriumacetat ($NaOAc$). Das Anion der schwachen Säure ($OAc^-$) ist eine konjugierte Base und reagiert mit Wasser, wodurch $OH^-$ entsteht und die Lösung alkalisch wird [36](#page=36).
$$OAc^- + H_2O \rightleftharpoons HOAc + OH^-$$
* **Salze starker Säuren und schwacher Basen:** Z.B. Ammoniumchlorid ($NH_4Cl$). Das Kation der schwachen Base ($NH_4^+$) ist eine konjugierte Säure und reagiert mit Wasser, wodurch $H_3O^+$ entsteht und die Lösung sauer wird [36](#page=36).
$$NH_4^+ + H_2O \rightleftharpoons NH_3 + H_3O^+$$
* **Salze schwacher Säuren und schwacher Basen:** Z.B. Ammoniumacetat ($NH_4OAc$). Der pH-Wert hängt von den relativen Stärken der konjugierten Säure und Base ab ($K_S$ und $K_B$).
### 2.12 Säuren und Basen in der Biosphäre
Viele biologische Prozesse sind stark vom pH-Wert und von Puffersystemen abhängig [40](#page=40).
* **Biologische Puffersysteme:** Dazu gehören das Kohlensäure/Hydrogencarbonat-System (wichtig im Blut) das Phosphatsystem und Proteinpuffer [40](#page=40).
* **pH-Werte biologischer Flüssigkeiten:** Variieren je nach Funktion (z.B. Magensaft, Blutplasma, Speichel) [40](#page=40).
### 2.13 Säurestärke – Trends im Periodensystem
Die Säurestärke von Verbindungen wie $HF$, $HCl$, $HBr$, $HI$ oder hydrierten Nichtmetallverbindungen ($CH_4$, $NH_3$, $H_2O$, $HF$) kann anhand von Trends im Periodensystem erklärt werden [43](#page=43).
* **Innerhalb einer Periode:** Die Säurestärke nimmt mit zunehmender Elektronegativität des zentralen Atoms zu (z.B. $HF > H_2O > NH_3 > CH_4$) [43](#page=43).
* **Innerhalb einer Gruppe:** Die Säurestärke nimmt mit zunehmender Atomgröße und abnehmender Bindungsstärke ab (z.B. $HI > HBr > HCl > HF$) [43](#page=43).
Die Säure- und Basenstärke ist jedoch auch durch das Lösungsmittel begrenzt. In Wasser sind $H_3O^+$ die stärkste mögliche Säure und $OH^-$ die stärkste mögliche Base [42](#page=42).
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# Heterogene Gleichgewichte und Fällungsreaktionen
Dieser Teilbereich befasst sich mit dem Löslichkeitsprodukt schwerlöslicher Salze, den damit verbundenen Fällungsreaktionen und der Klassifizierung von Salzen hinsichtlich ihrer Löslichkeit [44](#page=44).
### 3.1 Das Löslichkeitsprodukt
Heterogene chemische Gleichgewichte treten auf, wenn sich Reaktanten in unterschiedlichen Phasen befinden. Ein typisches Beispiel hierfür ist das Gleichgewicht zwischen einem schwerlöslichen Salz (fest) und den darin gelösten Ionen in einer wässrigen Lösung. Dieses Gleichgewicht kann als Fällungsreaktion oder Auflösung betrachtet werden, abhängig von den Konzentrationen der beteiligten Ionen und der Konstanz des Bodenkörpers [44](#page=44) [45](#page=45).
Das Löslichkeitsprodukt, oft mit $K_L$ oder $L$ bezeichnet, ist eine Konstante, die die maximale Konzentration von Ionen in einer gesättigten Lösung eines schwerlöslichen Salzes bei einer gegebenen Temperatur beschreibt. Es ist ein Maß für die Löslichkeit von Salzen [48](#page=48).
#### 3.1.1 Definition und Berechnung
Für ein schwerlösliches Salz der allgemeinen Formel $A_mB_n$, das sich in Wasser zu den Ionen $A^{n+}$ und $B^{m-}$ dissoziiert, wird das Löslichkeitsprodukt durch die Gleichgewichtskonstante definiert, die die Konzentrationen der gelösten Ionen berücksichtigt:
$$K_L = [A^{n+}]^m [B^{m-}]^n$$ [45](#page=45) [48](#page=48).
Dabei stehen $[A^{n+}]$ und $[B^{m-}]$ für die molaren Konzentrationen der jeweiligen Ionen in einer gesättigten Lösung. Die Einheiten des Löslichkeitsprodukts hängen von der Stöchiometrie des Salzes ab; beispielsweise hat Bariumsulfat ($BaSO_4$) ein Löslichkeitsprodukt von $1.6 \cdot 10^{-9} \text{ mol}^2/\text{L}^2$ [45](#page=45) [49](#page=49).
> **Tipp:** Die Angabe von Konzentrationen in mol/L (molare Konzentration) ist entscheidend für die korrekte Berechnung und Anwendung des Löslichkeitsprodukts.
#### 3.1.2 Beispiele für Löslichkeitsprodukte
Die Werte für Löslichkeitsprodukte sind tabelliert und geben Aufschluss über die relative Löslichkeit verschiedener Salze [48](#page=48).
* Silberchlorid ($AgCl$): $L_{AgCl} = [Ag^+][Cl^-] = 10^{-10} \text{ mol}^2 \cdot \text{L}^{-2}$ [48](#page=48).
* Silberbromid ($AgBr$): $L_{AgBr} = [Ag^+][Br^-] = 6 \cdot 10^{-13} \text{ mol}^2 \cdot \text{L}^{-2}$ [48](#page=48).
* Silberiodid ($AgI$): $L_{AgI} = [Ag^+][I^-] = 10^{-16} \text{ mol}^2 \cdot \text{L}^{-2}$ [48](#page=48).
* Silbersulfid ($Ag_2S$): $L_{Ag_2S} = [Ag^+]^2 [S^{2-}] = 10^{-50} \text{ mol}^3 \cdot \text{L}^{-3}$ [48](#page=48).
* Quecksilbersulfid ($HgS$): $L_{HgS} = [Hg^{2+}][S^{2-}] = 10^{-54} \text{ mol}^2 \cdot \text{L}^{-2}$ (Dies ist eine bemerkenswerte Verbindung mit extrem geringer Löslichkeit) [48](#page=48).
* Eisen(III)-hydroxid ($Fe(OH)_3$): $L_{Fe(OH)_3} = [Fe^{3+}][OH^-]^3 = 10^{-38} \text{ mol}^4 \cdot \text{L}^{-4}$ [48](#page=48).
* Aluminiumhydroxid ($Al(OH)_3$): $L_{Al(OH)_3} = [Al^{3+}][OH^-]^3 = 10^{-33} \text{ mol}^4 \cdot \text{L}^{-4}$ [48](#page=48).
#### 3.1.3 Berechnung der Ionenkonzentrationen aus dem Löslichkeitsprodukt
Bei schwerlöslichen Salzen, bei denen das Verhältnis der Kationen zu den Anionen konstant ist, kann aus dem Löslichkeitsprodukt direkt die Konzentration der einzelnen Ionen in einer gesättigten Lösung berechnet werden.
* **Beispiel für Bariumsulfat ($BaSO_4$)**:
Bei der Auflösung von $BaSO_4$ entstehen gleiche Mengen an $Ba^{2+}$ und $SO_4^{2-}$ Ionen. Wenn die Konzentration von $Ba^{2+}$ als $x$ mol/L angenommen wird, dann ist auch die Konzentration von $SO_4^{2-}$ gleich $x$ mol/L.
$$K_L = [Ba^{2+}][SO_4^{2-}] = x \cdot x = x^2$$ [49](#page=49).
Bei $K_L = 1.6 \cdot 10^{-9} \text{ mol}^2/\text{L}^2$ ergibt sich:
$$x = \sqrt{K_L} = \sqrt{1.6 \cdot 10^{-9} \text{ mol}^2/\text{L}^2} \approx 4 \cdot 10^{-5} \text{ mol/L}$$ [49](#page=49).
Somit ist die molare Konzentration sowohl von $Ba^{2+}$ als auch von $SO_4^{2-}$ in einer gesättigten Lösung von $BaSO_4$ etwa $4 \cdot 10^{-5} \text{ mol/L}$.
* **Beispiel für Calciumfluorid ($CaF_2$)**:
Bei der Auflösung von $CaF_2$ entstehen ein $Ca^{2+}$ Ion und zwei $F^-$ Ionen. Wenn die Konzentration von $Ca^{2+}$ als $x$ mol/L angenommen wird, dann ist die Konzentration von $F^-$ gleich $2x$ mol/L.
$$K_L = [Ca^{2+}][F^-]^2 = x \cdot (2x)^2 = 4x^3$$ [49](#page=49).
Bei $K_L = 1.7 \cdot 10^{-10} \text{ mol}^3/\text{L}^3$ ergibt sich:
$$4x^3 = 1.7 \cdot 10^{-10} \text{ mol}^3/\text{L}^3$$
$$x^3 = \frac{1.7 \cdot 10^{-10}}{4} \text{ mol}^3/\text{L}^3 \approx 4.25 \cdot 10^{-11} \text{ mol}^3/\text{L}^3$$
$$x = \sqrt {4.25 \cdot 10^{-11}} \text{ mol/L} \approx 3.5 \cdot 10^{-4} \text{ mol/L}$$ [3](#page=3).
Die Konzentration von $Ca^{2+}$ ist $x \approx 3.5 \cdot 10^{-4} \text{ mol/L}$, und die Konzentration von $F^-$ ist $2x \approx 7.0 \cdot 10^{-4} \text{ mol/L}$ [49](#page=49).
> **Tip:** Achten Sie genau auf die Stöchiometrie des Salzes, um die Beziehungen zwischen den Ionenkonzentrationen korrekt aufzustellen.
### 3.2 Fällungsreaktionen
Fällungsreaktionen treten auf, wenn bei der Mischung zweier Lösungen, die jeweils Ionen enthalten, die Konzentrationen der Ionen so hoch werden, dass das Produkt ihrer Konzentrationen den Wert des Löslichkeitsprodukts überschreitet. Dies führt zur Ausfällung des schwerlöslichen Salzes [45](#page=45).
#### 3.2.1 Bedingungen für Ausfällung
Eine Fällung tritt ein, wenn das Ionenprodukt (IP) des zu erwartenden schwerlöslichen Salzes größer ist als sein Löslichkeitsprodukt ($K_L$).
* Wenn $IP > K_L$: Fällung tritt ein.
* Wenn $IP = K_L$: Die Lösung ist gesättigt, und es besteht ein Gleichgewicht zwischen gelösten Ionen und dem festen Niederschlag.
* Wenn $IP < K_L$: Es tritt keine Fällung auf, und das Salz ist noch nicht vollständig ausgefällt.
> **Tip:** Das Ionenprodukt wird mit der gleichen mathematischen Formel wie das Löslichkeitsprodukt berechnet, verwendet jedoch die aktuellen Konzentrationen der Ionen in der Lösung, nicht unbedingt die maximalen in einer gesättigten Lösung.
#### 3.2.2 Einfluss von zugegebenen Ionen auf die Löslichkeit
Die Zugabe von gemeinsamen Ionen (Ionen, die bereits im schwerlöslichen Salz vorhanden sind) zu einer gesättigten Lösung führt zu einer Überschreitung des Löslichkeitsprodukts und damit zu einer weiteren Ausfällung des Salzes. Dies verringert die Löslichkeit des ursprünglich vorhandenen Salzes (siehe gemeinsames-Ionen-Effekt).
* **Beispiel mit Kaliumperchlorat ($KClO_4$)**: Kaliumperchlorat hat eine geringe Löslichkeit [46](#page=46).
* a) Zugabe von Kaliumchlorid ($KCl$): Die Zugabe von $K^+$ oder $ClO_4^-$ Ionen erhöht die Konzentration dieser gemeinsamen Ionen in der Lösung. Dies verschiebt das Gleichgewicht gemäß dem Prinzip von Le Chatelier auf die Seite der Feststoffbildung, was zu einer weiteren Ausfällung von $KClO_4$ führt und dessen Löslichkeit verringert [46](#page=46).
* b) Zugabe von $H^+ClO_4^-$: Ähnlich wie bei a) erhöht die Zugabe von $ClO_4^-$ Ionen die Konzentration und führt zur Ausfällung.
* c) Zugabe von Natriumchlorid ($NaCl$): Wenn weder $Na^+$ noch $Cl^-$ Teil des schwerlöslichen Salzes sind, hat die Zugabe von $NaCl$ keinen direkten Einfluss auf das Löslichkeitsprodukt oder die Ausfällung von $KClO_4$. Die Löslichkeit ändert sich nicht wesentlich [46](#page=46).
> **Beispiel:** Wenn man zu einer gesättigten Lösung von $AgCl$ eine Lösung von $NaCl$ hinzufügt, erhöht sich die Konzentration der $Cl^-$ Ionen. Da $AgCl$ schwerlöslich ist und das Produkt $[Ag^+][Cl^-]$ nun den Wert des Löslichkeitsprodukts überschreitet, fällt mehr $AgCl$ aus, und die Konzentration der gelösten $Ag^+$ Ionen sinkt.
### 3.3 Klassifizierung von Salzen nach ihrer Löslichkeit
Salze können grob in leicht lösliche und schwer lösliche Kategorien eingeteilt werden, basierend auf typischen Löslichkeitsbereichen und beobachteten Löslichkeitsprodukten.
#### 3.3.1 Leicht lösliche Salze
Folgende Anionen führen in der Regel zu leicht löslichen Salzen (mit Ausnahmen) [50](#page=50):
* Fluoride ($F^-$)
* Chloride ($Cl^-$)
* Bromide ($Br^-$)
* Iodide ($I^-$)
* Nitrate ($NO_3^-$)
* Perchlorate ($ClO_4^-$)
* Acetate ($CH_3COO^-$)
* Sulfate ($SO_4^{2-}$)
Ausnahmen bilden hierbei:
* Fluoride von $Mg^{2+}$, $Ca^{2+}$, $Sr^{2+}$, $Ba^{2+}$ und $Pb^{2+}$ [50](#page=50).
* Halogenide (außer Fluoride) von $Cu^+$, $Ag^+$, $Hg_2^{2+}$, $Tl^+$ und $Pb^{2+}$ [50](#page=50).
* Perchlorate von $NH_4^+$, $K^+$, $Rb^+$, $Cs^+$ [50](#page=50).
* Sulfate von $Ca^{2+}$, $Sr^{2+}$, $Ba^{2+}$, $Pb^{2+}$ [50](#page=50).
#### 3.3.2 Schwer lösliche Salze
Folgende Anionen führen in der Regel zu schwer löslichen Salzen (mit Ausnahmen) [51](#page=51):
* Oxide ($O^{2-}$)
* Hydroxide ($OH^-$)
* Carbonate ($CO_3^{2-}$)
* Cyanide ($CN^-$)
* Sulfide ($S^{2-}$)
* Oxalate ($C_2O_4^{2-}$)
* Phosphate ($PO_4^{3-}$)
* Silicate ($SiO_3^{2-}$)
Ausnahmen bilden hierbei:
* Oxide, Hydroxide, Cyanide und Sulfide der Alkalimetalle und des $NH_4^+$. Ebenso die Oxoide, Hydroxide und Cyanide der Erdalkalimetalle (außer Sulfide von Erdalkalimetallen) [51](#page=51).
* Carbonate, Oxalate und Phosphate der Alkalimetalle und des $NH_4^+$ [51](#page=51).
> **Beispiel:** Eisen(III)-hydroxid ($Fe(OH)_3$) ist ein typisches schwerlösliches Salz, erkennbar an seinem sehr niedrigen Löslichkeitsprodukt von $10^{-38} \text{ mol}^4 \cdot \text{L}^{-4}$. Dagegen ist Kaliumnitrat ($KNO_3$) leicht löslich, da Nitrate generell leicht löslich sind [48](#page=48) [50](#page=50).
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# Komplexchemie und Koordinationsverbindungen
Die Komplexchemie befasst sich mit Koordinationsverbindungen, die aus einem Zentralatom, meist einem Metallion, und mehreren umgebenden Molekülen oder Ionen, den Liganden, bestehen, wobei die Liganden über koordinative kovalente Bindungen an das Zentralatom gebunden sind [55](#page=55) [60](#page=60).
### 4.1 Lewis-Säure-Base-Konzept
Das Lewis-Konzept erweitert das Brønsted-Konzept, indem es Säuren als Elektronenpaar-Akzeptoren und Basen als Elektronenpaar-Donatoren definiert. Metallionen, die typischerweise elektronenarm sind, agieren als Lewis-Säuren. Die Reaktion zwischen einer Lewis-Säure und einer Lewis-Base führt zur Bildung eines Lewis-Säure-Base-Addukts oder Komplexes [52](#page=52) [53](#page=53).
### 4.2 Aufbau von Metallkomplexen
Ein Metallkomplex besteht aus einem Zentralatom (oft einem Metallion) und den daran gebundenen Liganden [56](#page=56) [60](#page=60).
#### 4.2.1 Liganden
Liganden sind Moleküle oder Ionen, die ein freies Elektronenpaar besitzen und dieses einem Zentralatom zur Verfügung stellen können, um eine koordinative kovalente Bindung einzugehen [56](#page=56) [60](#page=60).
##### Nomenklatur von Liganden
| Ligand | Name im Komplex | Typ |
|----------------|-----------------|-----------|
| Ammoniak ($NH_3$) | Ammin | Neutral |
| Wasser ($H_2O$) | Aqua | Neutral |
| Kohlenmonoxid ($CO$) | Carbonyl | Neutral |
| Chlorid ($Cl^-$) | Chlorido | Anion |
| Hydroxid ($OH^-$) | Hydroxido | Anion |
| Thiocyanat ($SCN^-$) | Thiocyanato | Anion |
| Cyanid ($CN^-$) | Cyanido | Anion |
#### 4.2.2 Zentralatom
Das Zentralatom ist typischerweise ein Metallion, das Elektronen von den Liganden aufnimmt [52](#page=52) [60](#page=60).
#### 4.2.3 Koordinationszahl (KZ)
Die Koordinationszahl gibt die Anzahl der gebundenen Liganden an das Zentralatom an. Typische Koordinationszahlen sind 2, 4 und 6 [62](#page=62).
* **KZ = 2:** Linear, z. B. $[Ag(NH_3)_2]^+$ [62](#page=62).
* **KZ = 4:** Tetraedrisch oder quadratisch-planar, z. B. $[Zn(OH)_4]^{2-}$ (tetraedrisch), $[Cu(NH_3)_4]^{2+}$ (quadratisch-planar) [62](#page=62) [64](#page=64).
* **KZ = 6:** Oktaedrisch, z. B. $[Co(NH_3)_6]^{3+}$, $[Al(H_2O)_6]^{3+}$ [62](#page=62) [64](#page=64).
#### 4.2.4 Koordinationsgeometrie
Die Anordnung der Liganden um das Zentralatom herum kann durch idealisierte Polyeder beschrieben werden, wie Tetraeder, quadratische Ebene oder Oktaeder [64](#page=64).
### 4.3 Nomenklatur von Koordinationsverbindungen
Die Nomenklatur von Komplexen folgt spezifischen Regeln, um ihre Struktur und Zusammensetzung eindeutig zu beschreiben [61](#page=61).
* **Kationische Komplexe:** Das Kation wird zuerst benannt, gefolgt vom Anion. Der komplexbildende Teil wird mit Präfixen für die Anzahl der Liganden und dem Namen des Liganden beschrieben, gefolgt vom Metallnamen mit seiner Oxidationszahl in römischen Ziffern.
* Beispiel: $[Fe(H_2O)_6]Cl_3$ wird als Hexaaquaeisen(III)-chlorid bezeichnet [61](#page=61).
* **Anionische Komplexe:** Ähnlich wie bei kationischen Komplexen, aber der Metallname endet oft auf "-at" und wird von dem Gegenion (Anion) begleitet.
* Beispiel: $Na[Ag(CN)_2]$ wird als Natriumdicyanidoargentat(I) bezeichnet [61](#page=61).
### 4.4 Gleichgewichtskonstanten und Stabilität von Komplexen
Die Stabilität von Metallkomplexen wird durch Gleichgewichtskonstanten beschrieben [67](#page=67).
* **Komplexbildungskonstante ($K_k$):** Ein Maß für die Gleichgewichtslage der Komplexbildungsreaktion. Eine höhere $K_k$ deutet auf eine höhere Stabilität des Komplexes hin [67](#page=67).
* Beispiel: $[Cu(NH_3)_4]^{2+}$ hat eine $K_k = 0.2 \times 10^{14} L^4/mol^4$ [67](#page=67).
* Beispiel: $[Ag(NH_3)_2]^+$ hat eine $K_k = \frac{[[Ag(NH_3)_2]^+]}{[Ag^+][NH_3]^2}$ [68](#page=68).
* **Konkurrenz der Gleichgewichtskonstanten:** Die Löslichkeit eines schwerlöslichen Salzes kann durch die Bildung eines stabileren Komplexes erhöht werden, wenn die Komplexbildungskonstante die Löslichkeitsproduktkonstante übersteigt [57](#page=57) [58](#page=58).
* Beispiel: Schwerlösliches $AgCl$ löst sich in Gegenwart von Ammoniak auf, da $[Ag(NH_3)_2]^+$ gebildet wird [68](#page=68).
* **Einfluss auf Redoxpotenziale:** Die Bildung von Komplexen kann die Redoxpotenziale von Metallionen signifikant verändern [68](#page=68).
### 4.5 Chelat-Komplexe
Chelat-Komplexe entstehen, wenn ein Ligand über zwei oder mehr Atome an das Zentralatom bindet und dadurch einen oder mehrere Ringe bildet. Diese Liganden werden als mehrzähnige Liganden bezeichnet (z. B. zweizähnig, dreizähnig) [70](#page=70).
#### 4.5.1 Chelat-Effekt
Der Chelat-Effekt beschreibt die erhöhte Stabilität von Chelat-Komplexen im Vergleich zu Komplexen mit einzähnigen Liganden bei gleicher Anzahl an koordinierenden Atomen. Dies ist auf eine signifikante Erhöhung der Entropie ($ \Delta S > 0 $) bei der Komplexbildung zurückzuführen, was zu einer negativeren freien Enthalpie ($ \Delta G $) und somit zu einer spontaneren Reaktion führt [71](#page=71).
* Beispiel: $[Ni(en)_3]^{2+}$ ist stabiler als $[Ni(NH_3)_6]^{2+}$ [71](#page=71).
#### 4.5.2 EDTA-Komplexe
EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure) ist ein sechszähniger Ligand, der mit vielen Metallionen sehr stabile Komplexe bildet [72](#page=72).
* **Anwendungen von EDTA-Komplexen:**
* Analytische Chemie: Bestimmung von Schwermetallen, Messung der Wasserhärte [72](#page=72) [74](#page=74).
* Medizin: Behandlung von Schwermetallvergiftungen, Hemmung der Blutgerinnung (in vitro), Auflösung von Nierensteinen [72](#page=72).
#### 4.5.3 Hämoglobin
Hämoglobin enthält einen Eisenkomplex im Zentrum, der Sauerstoff binden kann. Die Komplexchemie spielt eine entscheidende Rolle bei der Sauerstoffaufnahme und -abgabe sowie bei der Bindung anderer Moleküle wie Kohlenmonoxid [73](#page=73).
### 4.6 Isomerie bei Koordinationsverbindungen
Isomerie tritt auf, wenn zwei oder mehr Verbindungen die gleiche Summenformel, aber eine unterschiedliche Struktur und damit unterschiedliche physikalische und chemische Eigenschaften aufweisen [75](#page=75).
#### 4.6.1 Geometrische (Stereo)-Isomerie
Diese Art der Isomerie beruht auf der unterschiedlichen räumlichen Anordnung von Liganden um das Zentralatom [76](#page=76).
* **cis/trans-Isomerie:** Tritt bei Komplexen mit KZ = 6 und der allgemeinen Formel $[MA_4B_2]$ oder bei KZ = 4 (planar) mit der Formel $[MA_2B_2]$ auf [76](#page=76).
* Beispiel: $[CoCl_2(NH_3)_4]^+$ existiert als rotviolettes cis-Isomer und als grünes trans-Isomer [76](#page=76).
* Beispiel: Cisplatin ($cis-[PtCl_2(NH_3)_2]$) ist ein wichtiger medizinischer Wirkstoff, während das trans-Isomer unwirksam ist [77](#page=77).
#### 4.6.2 Bindungsisomerie
Bindungsisomerie liegt vor, wenn ein ambidenter Ligand über verschiedene Atome an das Zentralatom bindet [78](#page=78).
* Beispiel: $[Co(NH_3)_5(ONO)]Cl_2$ (Nitrito-O, orangerot) und $[Co(NH_3)_5(NO_2)]Cl_2$ (Nitrito-N, gelb) [78](#page=78).
#### 4.6.3 Ionisations- und Hydratisomerie
* **Ionisationsisomerie:** Die Gegenionen und Liganden sind vertauscht [78](#page=78).
* Beispiel: $trans-[CoCl_2(en)_2](NO_2)$ und $trans-[CoCl(en)_2(NO_2)]Cl$ [78](#page=78).
* **Hydratisomerie:** Wassermoleküle können sowohl als Liganden als auch als Gegenionen auftreten [78](#page=78).
* Beispiel: $[CrCl_2(OH_2)_4]Cl$ und $[Cr(OH_2)_6]Cl_3$ [78](#page=78).
#### 4.6.4 Koordinationsisomerie
Hierbei handelt es sich um Komplexe, bei denen sowohl das Kation als auch das Anion Metallkomplexe sind, und die Metallionen zwischen dem Kation und dem Anion vertauscht sind [78](#page=78).
* Beispiel: $[Cr(NH_3)_6][Co(CN)_6]$ und $[Co(NH_3)_6][Cr(CN)_6]$ [78](#page=78).
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# Elektrochemie und Redoxreaktionen
Dieser Abschnitt befasst sich mit Elektronenübertragungsreaktionen, der Bestimmung von Oxidationszahlen, dem Aufstellen von Redoxgleichungen, elektrochemischen Zellen und der Nernst-Gleichung sowie pH-Abhängigkeiten von Potenzialen [79](#page=79).
### 5.1 Elektronenübertragungsreaktionen (Redoxreaktionen)
Redoxreaktionen sind chemische Reaktionen, bei denen Elektronen übertragen werden. Sie umfassen sowohl Oxidations- als auch Reduktionsprozesse [80](#page=80) [81](#page=81).
* **Oxidation:** Prozess des Elektronenentzugs. Ein Stoff wird oxidiert, indem er Elektronen abgibt. Ursprünglich bezog sich dies auf die Reaktion eines Elements mit Sauerstoff zur Bildung eines Oxids [81](#page=81).
* **Reduktion:** Prozess der Elektronenaufnahme. Ein Stoff wird reduziert, indem er Elektronen aufnimmt. Ursprünglich bedeutete dies die Rückführung eines Oxids zum reinen Element [81](#page=81).
* **Redoxreaktion:** Die kombinierte Reaktion von Oxidation und Reduktion, die den Transfer von Elektronen beinhaltet [81](#page=81).
Ein Beispiel für eine Redoxreaktion ist die Reaktion zwischen Permanganat-Anionen und Eisen(II)-Ionen, bei der Mangan von der Oxidationsstufe +7 zu +2 reduziert und Eisen von +2 zu +3 oxidiert wird [82](#page=82).
#### 5.1.1 Oxidationszahlen (O.Z.)
Oxidationszahlen (auch Oxidationsstufen genannt) geben den formalen Oxidationsgrad von Atomen in Elementen, Ionen und Verbindungen an [83](#page=83).
* **Elemente:** Haben eine Oxidationszahl von 0 [83](#page=83).
* **Einatomige Ionen:** Die Oxidationszahl entspricht der Ionenladung [83](#page=83) [86](#page=86).
* **Verbindungen:** Die Elektronen werden formal dem elektronegativeren Bindungspartner zugeordnet. Die Summe der Oxidationszahlen in einem Molekül oder Ion entspricht der Gesamtladung des Teilchens [83](#page=83) [84](#page=84).
**Regeln zur Bestimmung von Oxidationszahlen:** [85](#page=85) [86](#page=86).
1. Ein einzelnes Atom oder ein Atom in einem Element hat die OZ Null [86](#page=86).
2. Die OZ eines einatomigen Ions entspricht seiner Ionenladung [86](#page=86).
3. Die Summe der OZ eines mehratomigen Ions oder Moleküls entspricht der Ladung dieses Ions oder Moleküls [86](#page=86).
4. Fluor hat in allen Verbindungen die OZ -I [86](#page=86).
5. Sauerstoff hat meistens die OZ -II. Ausnahmen sind Peroxid-Ionen (OZ -I) und Verbindungen mit Fluor [86](#page=86).
6. Wasserstoff hat in Verbindungen mit Nichtmetallen die OZ +I. In Metallhydriden hat Wasserstoff die OZ -I [86](#page=86).
7. In Verbindungen von Nichtmetallen ist die OZ des elektronegativeren Elements negativ und entspricht der üblichen Ionenladung dieses Elements [86](#page=86).
* Das Vorzeichen der Oxidationszahl ergibt sich aus der Elektronegativitätsdifferenz [85](#page=85).
* Die maximale OZ entspricht oft der Gruppennummer (> 0) [85](#page=85).
* Die minimale OZ entspricht oft der Gruppennummer minus 8 (< 0) [85](#page=85).
**Beispiele für Oxidationsstufen:**
* Hauptgruppenmetalle und -halbmetalle: Li (+1), Be (+2), Al (+3), Si (+2, +4), etc [89](#page=89).
* 3d-Elemente: Sc (+3), Ti (+2, +3, +4), V (+2, +3, +4, +5), Cr (+2, +3, +6), Mn (+2, +3, +4, +7), Fe (+2, +3), Co (+2, +3), Ni (+2), Cu (+1, +2), Zn (+2) [90](#page=90).
* Die Farbenvielfalt von Oxidationsstufen (z.B. Vanadium) korreliert oft mit unterschiedlichen OZ [91](#page=91).
**Reduktionsmittel und Oxidationsmittel:**
* **Reduktionsmittel:** Elektronendonator (wird selbst oxidiert) [92](#page=92) [93](#page=93).
* **Oxidationsmittel:** Elektronenakzeptor (wird selbst reduziert) [92](#page=92) [93](#page=93).
> **Tip:** Die Zuordnung von Oxidationsmitteln und Reduktionsmitteln ist entscheidend für das Verständnis von Redoxreaktionen.
#### 5.1.2 Aufstellen von Redoxgleichungen
Das Aufstellen von Redoxgleichungen folgt einem systematischen Verfahren [94](#page=94):
1. **Zerlegung in Teilgleichungen:** Teilen Sie die Redoxreaktion in eine Oxidations- und eine Reduktionsteilgleichung auf.
a. Bestimmen Sie die relevanten Oxidationszahlen.
b. Stellen Sie die Elektronenbilanz für jede Teilgleichung auf.
c. Gleichen Sie die Stoffbilanz aus (verwenden Sie H₂O, H⁺, OH⁻ etc.).
2. **Elektronenbilanz ausgleichen:** Erweitern Sie die Teilgleichungen so, dass die Anzahl der abgegebenen und aufgenommenen Elektronen gleich ist.
3. **Gesamtgleichung erstellen:** Addieren Sie die beiden Teilgleichungen und kürzen Sie gegebenenfalls. Fügen Sie Gegenionen hinzu.
4. **Nachprüfung:** Überprüfen Sie die Stoffbilanz und Ladungsbilanz.
**Beispiele für das Aufstellen von Redoxgleichungen:** [95](#page=95).
* **Aufgabe 1: Na + H₂O → Na⁺ + H₂ ausgleichen**
* Oxidation: Na → Na⁺ + e⁻
* Reduktion: H⁺ + e⁻ → ½ H₂
* Summe: Na + H⁺ → Na⁺ + ½ H₂
* Gesamt: Na + H₂O → NaOH + ½ H₂
* **Aufgabe 2: MnO₄⁻ + Fe²⁺ + H₃O⁺ → Mn²⁺ + Fe³⁺ ausgleichen**
* Oxidation: Fe²⁺ → Fe³⁺ + e⁻ | × 5
* Reduktion: MnO₄⁻ + 5 e⁻ + 8 H₃O⁺ → Mn²⁺ + 12 H₂O
* Summe: MnO₄⁻ + 5 Fe²⁺ + 8 H₃O⁺ → Mn²⁺ + 5 Fe³⁺ + 12 H₂O
Der fotografische Prozess, die Korrosion von Metallen und die Galvanik sind Anwendungen von Redoxreaktionen [96](#page=96).
### 5.2 Elektrochemische Zellen
Elektrochemische Zellen sind Vorrichtungen, die chemische Energie in elektrische Energie umwandeln (galvanische Elemente) oder elektrische Energie nutzen, um chemische Reaktionen zu erzwingen (Elektrolysezellen) [94](#page=94).
#### 5.2.1 Galvanische Elemente (Volta'sche Zellen)
Galvanische Elemente basieren auf spontanen Redoxreaktionen, die eine elektrische Spannung erzeugen [94](#page=94).
* **Daniell-Element:** Ein klassisches Beispiel ist das Daniell-Element aus Zink und Kupfer. Die Gesamtreaktion ist $CuSO_4 + Zn \rightarrow Cu + ZnSO_4$. Die Zellspannung beträgt typischerweise 1,11 Volt [97](#page=97).
* **Aufbau:** Besteht aus zwei Halbzellen, die durch eine Salzbrücke verbunden sind.
* **Anode:** Hier findet die Oxidation statt (Elektronenabgabe). Sie ist der negative Pol in einem galvanischen Element [97](#page=97) [98](#page=98).
* **Kathode:** Hier findet die Reduktion statt (Elektronenaufnahme). Sie ist der positive Pol in einem galvanischen Element [97](#page=97) [98](#page=98).
* **Standard-Wasserstoffelektrode (SHE):** Dient als Referenz für die Messung von Standard-Redoxpotenzialen ($E^0$). Ihre Potenzial ist per Definition 0,00 Volt bei 25 °C, 1 bar Druck und einer H₃O⁺-Konzentration von 1 M (pH=0) [100](#page=100) .
* **Spannungsreihe:** Eine Anordnung von Redoxsystemen nach ihren Standard-Redoxpotenzialen ($E^0$).
* Metalle mit negativen Potenzialen sind "unedel" und können von Säuren gelöst werden .
* Elemente mit positiven Potenzialen sind "edel" .
**Beispiele für Standard-Redoxpotenziale ($E^0$):** .
* $Na^+ + e^- \rightarrow Na$ $E^0 = -2.71 V$
* $Zn^{2+} + 2 e^- \rightarrow Zn$ $E^0 = -0.76 V$
* $H_3O^+ + e^- \rightarrow H_2$ $E^0 = 0.00 V$
* $Cu^{2+} + 2 e^- \rightarrow Cu$ $E^0 = +0.35 V$
* $Ag^+ + e^- \rightarrow Ag$ $E^0 = +0.81 V$
* $F_2 + 2 e^- \rightarrow 2 F^-$ $E^0 = +2.86 V$
Die Zellspannung ($\Delta E$), auch elektromotorische Kraft (EMK) genannt, ist die Differenz der Potenziale zwischen Kathode und Anode .
$$ \Delta E = E_{Kathode} - E_{Anode} $$
Die freie Enthalpie ($\Delta G$) ist mit der Zellspannung verknüpft:
$$ \Delta G = -z \cdot F \cdot \Delta E $$
wobei $z$ die Anzahl der übertragenen Elektronen und $F$ die Faraday-Konstante ist .
#### 5.2.2 Elektrolyse
Die Elektrolyse ist die Umkehrung des galvanischen Elements. Hier wird elektrische Energie zugeführt, um nicht-spontane Redoxreaktionen zu erzwingen, wie z.B. die Zersetzung von Verbindungen. Die dafür notwendige Spannung wird als Zersetzungsspannung bezeichnet und kann durch Überspannungen erhöht sein .
### 5.3 Die Nernst-Gleichung
Die Nernst-Gleichung beschreibt die Konzentrationsabhängigkeit des Potenzials einer Halbzelle :
$$ E = E^0 + \frac{R \cdot T}{z \cdot F} \cdot \ln \frac{[Ox]}{[Red]} $$
wobei:
* $E$ das Potential unter nicht-Standardbedingungen ist.
* $E^0$ das Standard-Potenzial ist.
* $R$ die Gaskonstante ist.
* $T$ die Temperatur in Kelvin ist.
* $z$ die Anzahl der übertragenen Elektronen ist.
* $F$ die Faraday-Konstante ist.
* $[Ox]$ die Konzentration der oxidierten Form ist.
* $[Red]$ die Konzentration der reduzierten Form ist.
Bei 25 °C (298,15 K) vereinfacht sich die Gleichung zu:
$$ E = E^0 + \frac{0.059 \, V}{z} \cdot \log \frac{[Ox]}{[Red]} $$
Für Metalle, bei denen die reduzierte Form das reine Metall ist, gilt $[Red = 1$ .
#### 5.3.1 pH-Abhängigkeit von Potenzialen
Viele Redoxreaktionen sind mit Protolysen (Abgabe oder Aufnahme von Protonen) verknüpft, was zu einer ausgeprägten Abhängigkeit der Redoxpotenziale vom pH-Wert führt .
Für die Wasserstoffelektrode lässt sich die Nernst-Gleichung auf die pH-Abhängigkeit anwenden:
$$ E_{H_2/H^+} = \frac{0.059 \, V}{2} \cdot \log \frac{p(H_2)}{[H_3O^+]^2} $$
Da bei Standardbedingungen $p(H_2) = 1$ bar und bei pH=0 $[H_3O^+]=1$ M ist ($E^0=0.00$ V), gilt für die H₂/H⁺-Halbzelle:
$$ E_{H_2/H^+} = 0.059 \, V \cdot \log \frac{1}{[H_3O^+]^2} = -0.059 \, V \cdot \log[H_3O^+] = -0.059 \, V \cdot pH $$
Dies zeigt, dass das Potenzial der Wasserstoffhalbzelle direkt proportional zum pH-Wert ist .
Beispiel für die pH-Abhängigkeit am Beispiel des $MnO_4^- / Mn^{2+}$ Systems:
$$ E_{MnO_4^-/Mn^{2+}} = 1.51 \, V + \frac{0.059 \, V}{5} \cdot \log \frac{[MnO_4^-] \cdot [H^+]^8}{[Mn^{2+}]} $$
Hierbei spielt die Konzentration der H⁺-Ionen, also der pH-Wert, eine erhebliche Rolle für das Redoxpotenzial .
> **Tip:** Elektrochemische Zellen, insbesondere pH-Meterelektroden (wie die Glaselektrode), nutzen diese pH-Abhängigkeit zur präzisen Bestimmung des pH-Wertes einer Lösung .
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## Häufige fehler vermeiden
- Überprüfen Sie alle Themen gründlich vor Prüfungen
- Achten Sie auf Formeln und wichtige Definitionen
- Üben Sie mit den in jedem Abschnitt bereitgestellten Beispielen
- Memorieren Sie nicht ohne die zugrunde liegenden Konzepte zu verstehen
Glossary
| Term | Definition |
|------|------------|
| Lösungsmittel | Die Komponente einer Lösung, die im Überschuss vorhanden ist und den anderen Stoff löst. |
| Gelöster Stoff | Die Komponente einer Lösung, die im Unterschuss vorhanden ist und vom Lösungsmittel gelöst wird. |
| Molarität | Die Konzentration einer Lösung, angegeben als die Anzahl der Mole des gelösten Stoffes pro Liter Lösung (mol/L). |
| Molalität | Die Konzentration einer Lösung, angegeben als die Anzahl der Mole des gelösten Stoffes pro Kilogramm Lösungsmittel (mol/kg Lösungsmittel). |
| Molenbruch | Das Verhältnis der Mol eines gelösten Stoffes zur Gesamtzahl der Mole aller Komponenten in der Lösung; ein dimensionsloser Wert. |
| Solvatation | Der Prozess, bei dem Lösungsmittelmoleküle sich um gelöste Ionen oder Moleküle anordnen und Solvathüllen bilden. |
| Elektrolytische Dissoziation | Die Trennung eines ionischen Festkörpers in seine Bestandteile, Ionen, wenn er in einem polaren Lösungsmittel, typischerweise Wasser, gelöst wird. |
| Faraday'sche Gesetze | Gesetze, die die Menge der durch elektrolytische Stromleitung abgeschiedenen oder freigesetzten Stoffmenge mit der durch den Elektrolyten geflossenen Ladung in Beziehung setzen. |
| Lösungsenthalpie | Die Enthalpieänderung, die auftritt, wenn ein Stoff in einem Lösungsmittel gelöst wird; sie ist die Differenz zwischen Gitterenergie und Hydratationsenthalpie. |
| Osmotischer Druck | Der Druck, der erforderlich ist, um den Fluss von Lösungsmittelmolekülen durch eine semipermeable Membran in eine konzentriertere Lösung zu verhindern; er ist proportional zur Teilchenzahl in der Lösung. |
| Raoult'sches Gesetz | Ein Gesetz, das besagt, dass der Gesamtdampfdruck einer Lösung die Summe der Partialdrücke der einzelnen Komponenten ist, wobei der Partialdruck jeder Komponente proportional zu ihrem Molenbruch ist. |
| Siedepunkterhöhung | Die Erhöhung des Siedepunkts eines Lösungsmittels, wenn ein gelöster Stoff hinzugefügt wird; sie ist proportional zur Konzentration des gelösten Stoffes. |
| Gefrierpunkterniedrigung | Die Senkung des Gefrierpunkts eines Lösungsmittels, wenn ein gelöster Stoff hinzugefügt wird; sie ist proportional zur Konzentration des gelösten Stoffes. |
| Autoprotolyse | Die Reaktion, bei der ein Molekül ein Proton auf ein anderes identisches Molekül überträgt, was zur Bildung von Ionen führt, z. B. die Eigen dissoziation von Wasser zu H3O+ und OH-. |
| Säurekonstante (KS) | Ein Maß für die Stärke einer Säure, das das Gleichgewicht der Dissoziation einer Säure in wässriger Lösung beschreibt; ein höherer Wert bedeutet eine stärkere Säure. |
| Basenkonstante (KB) | Ein Maß für die Stärke einer Base, das das Gleichgewicht der Reaktion einer Base mit Wasser beschreibt; ein höherer Wert bedeutet eine stärkere Base. |
| pH-Wert | Der negative dekadische Logarithmus der Wasserstoffionen-Aktivität (oder Konzentration) in einer Lösung; er quantifiziert die Acidität oder Basizität einer wässrigen Lösung. |
| Dissoziationsgrad (α) | Das Verhältnis der dissoziierten Menge einer Substanz zur gesamten Menge der Substanz in Lösung; es gibt den Anteil an, der in Ionen zerfallen ist. |
| Ostwald'sches Verdünnungsgesetz | Beschreibt die Beziehung zwischen dem Dissoziationsgrad einer schwachen Elektrolytlösung und ihrer Konzentration; bei Verdünnung steigt der Dissoziationsgrad. |
| Titration | Eine analytische Methode zur Bestimmung der Konzentration einer unbekannten Substanz durch Reaktion mit einer Lösung bekannter Konzentration. |
| Äquivalenzpunkt | Der Punkt in einer Titration, an dem die Mengen der Reaktanten stöchiometrisch äquivalent sind und die Reaktion vollständig ist. |
| Puffer | Eine Lösung, die dazu neigt, den pH-Wert bei Zugabe kleiner Mengen einer starken Säure oder Base konstant zu halten; typischerweise eine Mischung aus einer schwachen Säure und ihrer konjugierten Base oder umgekehrt. |
| Henderson-Hasselbalch-Gleichung | Eine mathematische Gleichung, die den Zusammenhang zwischen dem pH-Wert einer Pufferlösung, dem pKS der schwachen Säure und dem Verhältnis der Konzentrationen der konjugierten Base zur Säure beschreibt. |
| Löslichkeitsprodukt (KL) | Das Produkt der Konzentrationen der Ionen einer schwerlöslichen Verbindung im Gleichgewicht mit ihrem festen Zustand; es beschreibt die maximale Konzentration von Ionen, die sich in Lösung befinden können. |
| Fällungsreaktion | Eine chemische Reaktion, bei der sich aus einer Lösung ein unlöslicher Feststoff (Niederschlag) bildet. |
| Komplex-Bildungskonstante (Kk) | Eine Gleichgewichtskonstante, die die Stärke der Bindung zwischen einem Metallion und seinen Liganden in einem Komplex beschreibt. |
| Ligand | Ein Molekül oder Ion, das sich an ein Zentralatom (typischerweise ein Metallion) bindet, um einen Koordinationskomplex zu bilden. |
| Koordinationszahl | Die Anzahl der Ligandenatome, die direkt an das Zentralatom in einem Koordinationskomplex gebunden sind. |
| Chelat-Effekt | Eine Erhöhung der Stabilität von Koordinationskomplexen, die durch die Bindung von mehrzähnigen Liganden (Chelatoren) an ein Metallion im Vergleich zu einzähnigen Liganden verursacht wird. |
| Isomerie | Das Phänomen, bei dem zwei oder mehr chemische Verbindungen die gleiche Summenformel, aber unterschiedliche Strukturen und somit unterschiedliche physikalische und chemische Eigenschaften haben. |
| Geometrische Isomerie | Eine Form der Isomerie, bei der Isomere die gleiche Verknüpfung der Atome, aber unterschiedliche räumliche Anordnungen aufweisen, oft als cis- und trans-Isomere bezeichnet. |
| Bindungsisomerie | Eine Art von Koordinationsisomerie, bei der ein Ligand auf verschiedene Weisen an das Zentralatom gebunden sein kann, z. B. durch ein Stickstoff- oder Sauerstoffatom in Nitrito-Liganden. |
| Ionisationsisomerie | Eine Form der Koordinationsisomerie, bei der die Gegenionen in der Koordinationssphäre vertauscht sind, was zu unterschiedlichen chemischen Eigenschaften führt. |
| Redoxreaktion | Eine chemische Reaktion, bei der Elektronen zwischen Reaktanten übertragen werden, was zu einer Änderung der Oxidationszahlen führt; sie umfasst sowohl Oxidation als auch Reduktion. |
| Oxidation | Der Prozess des Elektronenentzugs aus einem Atom, Molekül oder Ion, was zu einer Erhöhung seiner Oxidationszahl führt. |
| Reduktion | Der Prozess der Elektronenaufnahme durch ein Atom, Molekül oder Ion, was zu einer Verringerung seiner Oxidationszahl führt. |
| Oxidationszahl (O.Z.) | Eine von Chemikern zugewiesene Zahl, die den formalen oxidativen Zustand eines Atoms in einer chemischen Verbindung angibt und auf der Annahme basiert, dass alle Bindungen rein ionisch sind. |
| Galvanisches Element | Eine elektrochemische Zelle, die chemische Energie in elektrische Energie umwandelt durch spontane Redoxreaktionen. |
| Elektrolyse | Der Prozess der Umwandlung von elektrischer Energie in chemische Energie durch eine nicht-spontane Redoxreaktion, die durch Anlegen einer externen Spannung erzwungen wird. |
| Standardpotenzial (E0) | Das Potenzial einer Halbzelle unter Standardbedingungen (1 M Konzentration für Ionen, 1 bar Druck für Gase, 25 °C); es wird relativ zur Standard-Wasserstoffelektrode gemessen. |
| Nernst-Gleichung | Eine Gleichung, die die Beziehung zwischen dem Potenzial einer elektrochemischen Zelle und der Konzentration der Reaktanten und Produkte beschreibt. |
| Spannungsreihe | Eine Tabelle, die die Standard-Redoxpotenziale von verschiedenen Halbzellen in aufsteigender Reihenfolge anzeigt; sie gibt Auskunft über die relative Fähigkeit von Stoffen, oxidiert oder reduziert zu werden. |